Читать книгу Mit dir, Ima онлайн

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Je strikter meine Mutter vegetarisch kochte, desto wichtiger wurde für mich Fleisch. Einmal stand ich aus Protest vom Tisch auf und ging zu meinen Grosseltern, bei denen es am Mittag meistens Fleisch gab. Und immer ein Dessert. Als ich einmal weinend nach Hause kam, weil ich mir den Zeigefinger eingeklemmt hatte, wollte meine Mutter die Wunde mit Honig bestreichen. Ich tobte. Ich war verzweifelt. Ich schrie wie am Spiess und verlangte nach normaler Medizin.

Meine Mutter hatte mich Ariela nennen wollen, mein Vater war gegen einen exotischen Namen gewesen. Das war in meinem Sinne. Nur meine dunklen Augen und Haare verrieten das Fremde. Im Kindergarten fragte mich ein Mann, der mit uns Lieder für eine Schallplatte einstudierte, ob ich aus Italien oder Spanien käme. Ich schüttelte nur den Kopf.

Ich sprach nicht gerne über meine Mutter. Sie las mir aus den hebräischen Kinderbüchern vor, sie lehrte mich Lieder, die niemand sonst kannte. Abends erzählte sie mir an meinem Bett Geschichten, die sie selbst erfand. Am liebsten hatte ich die Figur der Giveret Sonja Goldstein. Soooanja ist von Russland nach Israel eingewandert, sie fährt mit ihrem Mann, ihrer Tochter oder ihrer Freundin zum Strand und lädt zu Picknicks. Sonja führt ein ganz normales Leben. Meine Mutter imitierte den starken russischen Akzent, was ich sehr lustig fand. Von Sonja konnte ich nicht genug bekommen, sodass meine Mutter die Geschichte über viele Wochen, Monate oder gar Jahre weiterspann. Danach streichelte sie meinen Kopf. Mit geschlossenen Augen fühlte ich ihre Hand, immer wiederkehrend, unendlich. Der Schlaf war nahe, aber ich schlief nicht ein, ich merkte, wenn sie sich aus dem Zimmer schlich. Bevor sie die Tür schloss, machte sie diese mehrmals einen Spaltweit auf, schaute zu mir hin und sagte mit ihrer glanzvollen hellen Stimme: «Kuck!» Mein Vater fand dieses abendliche Ritual übertrieben, zu lang.

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