Читать книгу Zorn und Freundschaft. Max Frisch 1911-1991 онлайн
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Frisch schrieb diese Erinnerung als fünfundsechzigjähriger Mann, der inzwischen weltberühmt und ebenfalls wohlhabend geworden war. Dennoch spricht aus dem Text, durch alle ironischen Brechungen hindurch, noch immer die Faszination des sozialen Aufsteigers. Nicht nur die Anzüge, der ganze gesellschaftliche Habitus waren dem Kleinbürgersproß um Nummern zu groß. Die Perspektive – steil von unten nach oben – besagt mehr als die einzelne Aussage.31 Sie ist, bis weit in die vierziger Jahre hinein, Frischs Optik auf die bürgerliche Gesellschaft.
Ein einziger Satz verweist auf die politische Gesinnung des Freundes: »Er war gegen Hitler, aber auch skeptisch gegenüber einer Demokratie, wo jede Stimme gleich viel wiege.«32 Der Satz ist diskret, aber vielsagend, liest man ihn vor dem Hintergrund der antidemokratischen Bewegung, welche die bürgerlich-intellektuelle Schweiz der zwanziger und dreißiger Jahre erfaßt hatte. Einer der Großen in Sachen Elitedenken, Korporationsgeist und Wiederbelebung des Ancien régime, der Freiburger Publizist und Militärberater Gonzague de Reynold, formulierte bereits 1905 in der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ), dem späteren Hausblatt Frischs, das politische Credo der bürgerlichen Rechten, zu der auch Coninx zählte: »Die Demokratie hat ihre Versprechen nicht gehalten, ja sie konnte sie nicht halten. Sie ist in ihrem Ursprung selber, in der Französischen Revolution, ein Mißwuchs. Die künstliche Gleichheit, im Widerspruch zu den Erfordernissen und Regeln des Lebens selbst, mußte notwendigerweise zur Tyrannei der Zahl, zur Herrschaft der Mittelmäßigen, zur brutalen Zentralisation und zum Etatismus führen. Da die Demokratie aus Prinzip keine Superiorität anerkennen kann, ist sie allein dadurch die Gegnerin jeder Elite: sowohl der intellektuellen wie der moralischen Elite …«33