Читать книгу Die illegale Pfarrerin. Das Leben von Greti Caprez-Roffler 1906 - 1994 онлайн
107 страница из 125
Dass eines der entsetzlichen Entartungsgebilde der Hyperkultur auch den Namen Freundschaft trägt, ist zu bedauern, aber die beiden zu verwechseln, wird nur einem mit den raffiniertesten Lastern vertrauten Gesellen gegeben sein. Das Giftgeschwür heftet sich an die Existenzen beschäftigungs- und interesseloser, überreizter Genussmenschen, die keusche Blume der Freundschaft385 entspringt dem Boden einer arbeitsfrohen, pflichttreuen Lebensführung.386
Giftgeschwür, Entartungsgebilde, Hyperkultur: Meta von Salis benutzte Begriffe, die die körperliche Liebe zwischen Frauen als entsetzliche Seuche, genetischen Defekt oder Zivilisationskrankheit darstellten. Ihr Vokabular erinnert an zeitgenössische rassistische und antisemitische Schriften. Tatsächlich las die Bündnerin die Bücher des französischen Rassentheoretikers Arthur de Gobineau.387 Mit den Rassentheorien untermalten Aristokratinnen wie Meta von Salis ihre Machtansprüche, die in der Demokratie an Legitimation verloren hatten.
1904 verkaufte Meta von Salis Schloss Marschlins ihrem Cousin, dem Rechtsprofessor Ludwig Rudolf von Salis-Maienfeld, und war nur noch sporadisch zu Besuch auf dem Anwesen. Sie liess sich und Hedwig Kym auf der italienischen Insel Capri eine Villa bauen.388 Meta von Salis war damals knapp fünfzig Jahre alt, Greti wurde erst zwei Jahre später geboren. Der neue Schlossbesitzer amtete lange Jahre als Kirchgemeindepräsident von Igis389.