Читать книгу 50 Jahre Frauenstimmrecht. 25 Frauen über Demokratie, Macht und Gleichberechtigung онлайн
49 страница из 53
Mir und vielen anderen Jugendlichen ging es ähnlich: Wir waren perplex und fühlten uns machtlos. Irgendetwas schienen wir ja richtig gemacht zu haben: Die Klimabewegung erhielt in der Bevölkerung überraschend viel Zuspruch und dominierte die Medien über Wochen. Dennoch schienen unsere Forderungen in ihrer Dringlichkeit nicht zu denen vorzudringen, an die sie gerichtet waren: Parlamente, deren Mitglieder ein Durchschnittsalter von über 50 Jahren haben, fällen kaum Entscheide, die über den Zeitrahmen bis zur nächsten Wahl hinaus Wirkung tragen. Junge Themen fristen ein Nischendasein und stehen auf der politischen Agenda weit unten.
Es war und ist also eine logische Schlussfolgerung aus der Politisierungswelle der Klimastreiks: Die Jugend kann und muss bei politischen Entscheiden mitbestimmen. Ist es denn nicht die Aufgabe einer Demokratie, die gesamte Bevölkerung zu Wort kommen zu lassen und sie in ihren Parlamenten zu vertreten?
Die Vorstellung, dass meine Grossmutter 44 Jahre alt werden musste, bis sie zum ersten Mal an einer nationalen Abstimmung teilhaben konnte, macht mich daher immer wieder sprachlos. Meine Grossmutter war kein Heimchen am Herd, das sich nicht um Politik scherte. Neben ihrem langjährigen Engagement als Pfarrfrau für das gesellschaftliche Leben einer Landgemeinde, natürlich unentgeltlich, zog sie fünf Kinder gross. Hunderttausenden starken Frauen wie ihr trauten die Herren dieses Landes jedoch nicht zu, sich eine eigene Meinung bilden zu können und diese auch zu vertreten. Ich weiss, dass ich es der unermüdlichen Arbeit von Generationen oft vergessener, aber unglaublich mutiger Frauen zu verdanken habe, dass ich heute als junge Frau so selbstverständlich am politischen Geschehen teilnehmen kann. Unsere Demokratie dürfen wir keineswegs für selbstverständlich nehmen. Sie ist das Ergebnis jahrhundertelanger Arbeit. Unsere Demokratie ist kostbar und muss bewahrt werden. Das Interesse an der Politik und damit die Freude am politischen Mitgestalten müssen darum stets an die nächste Generation weitergegeben werden. Wählen und Abstimmen sollte eine Plattform für Austausch und Mitgestaltung sein, die auch uns Jugendlichen offensteht. Politiker*innen fahren jedoch fort, uns kleinzureden, während uns gleichzeitig bereits mit 16 Jahren zugetraut wird, wegweisende Entscheidungen in Ausbildung und Berufswahl zu treffen. Das Teilnehmen an politischen Entscheiden, die unser Leben langfristig beeinflussen können, wird uns dagegen untersagt.