Читать книгу Der Stammbaum. Chronik einer Tessiner Familie онлайн

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Daraus spürt man so recht die Empfindung der Scham und der Demütigung des wer weiss wie gekleideten Knaben, der darüber hinaus auch körperlich ungelenk war und mitten unter den kühnen Gefährten stand. Doch drei Jahre später war er der Tüchtigste von allen.

Er war nur ein Jahr lang Lehrer, ich glaube in Cugnas­co. Dann starb er zwanzigjährig, im Jahre 1884.

Wenn sich im Haus der Bianconi nichts mehr finden lässt, so ist glücklicherweise im Haus der Grosseltern mütterlicherseits, bei den Rusconi, manches erhalten geblieben. Es waren dies weniger armselig lebende Leute und sie waren der Erde fester verhaftet. In der sonnigen Loggia, wo wir nicht lasen, nein, nur die Bilder in den Zeitungen anschauten, die der Onkel Gottardo aus Kalifornien erhielt, die bunten cartoons mit den Kari­­katuren, die wir dann auf den Seiten des «Corriere dei ­Piccoli» wiederfanden, Happy Hooligan, verwandelt in For­tunello, dort war eine Truhe erhalten geblieben, ein Schrein mit alten Papieren. Es waren notariell beglaubig­te Dokumente, Verträge, Empfangsbestätigungen, aber vor allem Briefe, viele Briefe aus Australien und Amerika. Die Briefe der Auswanderer und oft sogar auch die Briefe von zu Hause, die der Ausgewanderte ehrfürchtig zurückgebracht hatte, als er heimkehrte. Kurz, ein ganzes Familienarchiv. Alte vergilbte Papiere voller Wasserflecken (und die Kopiertinte bringt Effekte zustande, wie sie der Tachismus bevorzugt). Regengüsse hatten die Truhe manchmal durchnässt, doch glücklicherweise war sie von Mäusen verschont geblieben. Diese Papiere sind uns erhalten. Nicht, dass sie ganz unbekannt gewesen wären. Irgendjemand hat vor mir schon den kleinen Schrein durchstöbert – nicht mit eitel Neugier bewehrt wie ich, sondern mit einer nützlichen Schere – und hat alle Briefmarken akkurat herausgeschnitten, sich um das Geschriebene aber nicht gekümmert. Dieses besass keinen Handelswert. Und ausserdem war es ein Ergebnis der Traurigkeit, voll vom Geruch der Einsamkeit und der Mühsal.

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