Читать книгу Bruder Tier. Mensch und Tier in Mythos und Evolution онлайн

52 страница из 72

See und Insel werden zu den beiden Urgestalten, die immer neu und in fast unendlicher Variabilität die Landschaft der Erde formen. Die Ur-Insel ist der Südpol. Der Ur-See ist die Arktis, und aus beiden Bereichen schiebt sich die formende Kraft in alle übrigen Erdgebiete hinein. Man möchte fast sagen, dass alle Inseln, wo immer sie auch liegen, Kinder der Antarktis sind. Die Seen aber, so klein oder groß sie auch sein mögen, sind die Geschöpfe des nordpolaren Einbruchbeckens. Die Insel, jede Insel, ist ein aus dem umgebenden Wasser herauskristallisiertes, verdichtetes Stück Erde. Die im flüssigen Element lebenden Kräfte konzentrieren sich auf einen Mittelpunkt hin und backen die Insel heraus. Der See aber ist ein Auflösungsprozess, der sich im Zentrum des harten Erdreichs bildet. Aus seinem Mittelpunkt strömen die verflüssigenden Kräfte hinein in die umgebenden Ufer und tragen in Jahrtausenden Felsen und Berge ab.

Die Insel ist ein Erde-Werden; der See ein Entwerden, ein Erde-Vergehen. Verdichtung und Auflösung leben in diesen beiden Gestalten. Der Nordpol ist alt; dort löst die Erde sich auf. Von dort atmen die Eiszeiten in den Strom der Evolution hinein, überdecken die nördlichen Kontinente für Jahrhunderte mit Eis und ziehen sich dann wieder zurück, zur Urmutter aller Seen. Vom Südpol hingegen strömen die verdichtenden Insel-Kräfte in die Erde hinein. Sie halten die Kontinente zusammen und geben dem Erdreich seine verhärtenden Eigenschaften.

Правообладателям