Читать книгу SPACE 2022. Das aktuelle Raumfahrtjahr mit Chronik 2021 онлайн
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Serienfertigung und Vermarktung
Ein Design zu erstellen ist die mit weitem Abstand leichteste Aufgabe. Schon deutlich schwieriger ist es, einen flugfertigen Prototypen zu bauen. Das wahre Problem aber liegt im Produktionssystem. Das benötigt ein Vielfaches des Aufwandes, den Design und Prototypenbau erfordern. Elon Musk, der dieses Problem aus eigener leidvoller Erfahrung kennt, meint dazu, dass der Aufwand für „Manufacturing“ sträflich unterschätzt werde. Es ist etwas vollständig anderes, einen für 150 Millionen Euro in jahrelanger liebevoller Arbeit „handgebastelten“ Prototypen herzustellen, als für fünf Millionen Euro eine Serienrakete in so wenigen hoch rationalisierten Prozessschritten wie möglich. Der Weg zur Serienfertigung ist lang, beschwerlich, extrem teuer und es ist der Schritt, an dem Deutschland oft scheitert. Es ist der Schritt, bei dem die Leidensfähigkeit eines Unternehmensmanagements seine wahre Nagelprobe erlebt. Bei Trägerraketen kostet die Einrichtung einer Serienfertigung das Vielfache der Prototypenentwicklung. Ein relativ transparentes Beispiel ist hier Rocket Lab, die seit Jahren recht erfolgreich die Elektron-Kleinträgerrakete vertreibt. Auch dort gelang die Entwicklung der Rakete bis zum Prototypen mit etwa 120 Millionen Dollar. Für Serienreifmachung, Produktionsoptimierung, Beschaffung und Kalibrierung der Produktionsinfrastruktur, Bereitstellung der gesamten Bodenausrüstung (des so genannten „Ground support equipment) und der Startanlagen kolportiert man dagegen Zahlen vom sechs- bis siebenfachen dieser Summe. Solche Beträge bei Geldgebern erst einmal zu bekommen, und in der Folge auch zu amortisieren, bei einer Rakete, die wegen der beinharten Konkurrenzsituation auf dem Kleinträgermarkt nicht mehr als vielleicht fünf bis sieben Millionen Euro kosten darf, gelingt ausschließlich mit hohen Startzahlen. Astra in den USA beispielsweise plant auf lange Sicht mit einem Start täglich. Auch Rocket Lab müsste, um wirtschaftlich sein zu können, mehrere Dutzend Starts pro Jahr absolvieren. Momentan liegt das Unternehmen bei 8-9 Starts jährlich. Nächstes Jahr sollen es 20 – 24 werden. Sehen wir einmal in die USA, dann wird schnell klar, warum es dort vergleichsweise einfach ist, ein Raketen-Startup hochzuziehen. Das Land ist technik-affin, Raumfahrt steht hoch im Kurs und wird von der Regierung als zukunftsweisende Schlüsseltechnologie verstanden. Die Regularien sind überschaubar, klar und industriefreundlich. Genehmigungsprozesse laufen zügig, und werden nicht, wie hierzulande, oft über viele Jahre verschleppt. Es gibt eine ganze Auswahl von möglichen Startplätzen und mit das Wichtigste: Es gibt dort Investmentgesellschaften, die sich darauf spezialisiert haben, Startups an die Börse zu bringen, und ihnen somit das nötige Kapital zur Serienreifmachung zu verschaffen. Ein weiteres deutsches Problemfeld ist die Vermarktung. Wann immer man sich durch die Veröffentlichungen der deutschen Raketenstartups liest, trifft man auf Aussagen der jeweiligen Geschäftsleitungen, dass man jetzt erstmal die Rakete entwickeln werde und dann schon schauen werde, was sich auf dem Markt so ergibt. Devise: Erst bauen, dann schauen. Doch das ist eine komplett falsche Einstellung. Die Vermarktung ist ein Gebot der ersten Stunde. Gwynne Shotwell, die heute das Unternehmen SpaceX wirtschaftlich leitet, gehörte zu den ersten 10 Angestellten, die Elon Musk im Jahre 2002 einstellte. Schon wenige Wochen nach ihrer Einstellung war sie beim „Klinkenputzen“ bei den potentiellen Kunden, auch wenn danach noch Jahre bis zum ersten erfolgreichen Start vergingen.