Читать книгу Gesundheit - Begriff, Phänomen, Konstrukt. Theologisch-praktische Quartalschrift 1/2022 онлайн

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Der Mensch als geistige Person steht also im Mittelpunkt der Logotherapie und Existenzanalyse nach Viktor E. Frankl. Er, der Mensch ist es, dem das Leben Fragen stellt, die er nicht zu beantworten, sondern zu verantworten hat. Gesund zu sein, wohlauf zu sein, heißt damit, die Sinnmöglichkeiten im Leben, das Gesollte immer wieder zu erkennen und dementsprechend das Leben zu gestalten. Hilfe bei der Sinn-Suche erfährt der Mensch von seinem Gewissen als „Sinnorgan“23. Abweichend allerdings vom herkömmlichen psychoanalytischen Verständnis von Gewissen meint Frankl, dass es den Zugang zum Werthorizont der geistigen Person eröffnet und dessen Sinnmöglichkeiten erschließt. Es nimmt somit nicht einen subjektiven Sinn wahr (im Dienst einer Bedürfnisbefriedigung), sondern arbeitet transsubjektiv, das heißt, es peilt „Werte in der Welt, ihre Erhaltung und Vermehrung“ an.24

2 Fünf Thesen zur Person und ihre Relevanz für die kirchliche Praxis25

Der Weg der Kirche ist der Mensch (RH 1). Damit bestimmte Papst Johannes Paul II. den neuen (konziliaren) Weg von Kirche-Sein. Nicht selten begegnet man dem Wunsch, in den Ortskirchen eine Kirche nahe bei den Menschen sein zu wollen. Eine Kirche bei den Menschen ist für Papst Franziskus eine Kirche, deren Leben und Ausrichtung die Logik der Inkarnation bestimmt, anstatt ihre Selbstbezogenheit. Wer aber ist dieser Mensch, dem die Kirche nahe sein will, und vor allem, wozu wollen wir dem Menschen als Kirche nahe sein? Es ist offensichtlich, dass diese Frage in den letzten Jahrzehnten wenig Aufmerksamkeit in der Kirche und in der Gestaltung der kirchlichen Praxis erfahren hat. Stattdessen wird stets an eine Kirche erinnert, die es jahrhundertelang zu wenig beachtet hat, den Menschen ihr Leben frei und verantwortungsvoll gestalten zu lassen. So ist auch in der Seelsorge eine gewisse Unsicherheit festzustellen, wenn es um die Begegnung mit dem Menschen geht, und um die Frage, wonach sich die Seelsorge ausrichten soll, wenn sie in allen Facetten der kirchlichen Praxis ganz nach der Logik der Inkarnation bei den Menschen sein will. Viktor E. Frankl eilt der kirchlichen Praxis hier mit seiner Logotherapie und Existenzanalyse zu Hilfe und bietet anthropologisch und medizinisch gut fundierte Thesen zur Person an, von denen sich die Kirche provozieren lassen kann.

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