Читать книгу Selbst- und Welterleben in der Schizophrenie. Die phänomenologischen Interviews EASE und EAWE онлайн
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Die Unterscheidung zwischen Form (Struktur) und Inhalt ist nicht immer eindeutig und wird ab einer bestimmten Tiefe der phänomenologischen Analyse unscharf. Im Allgemeinen lässt sich jedoch festhalten, dass sich der Begriff »strukturell« auf fortdauernde Ermöglichungsbedingungen einer normalen Entfaltung von Kognition und Affektivität bezieht. Dazu gehören z. B. das präreflexive Selbstgewahrsein, das die Erste-Person Perspektive, das Gefühl einer fortdauernden lebendigen Selbstgegenwart sowie die Transparenz und Verfügbarkeit des eigenen Bewusstseins als Medium und Quelle einschließt (Parnas und Sass 2010). »Zeitlichkeit«, »Verkörperung« und »Intentionalität« des Bewusstseins sind weitere derartige strukturelle Bedingungen.
Die einzelnen EASE-Items lassen sich am besten als wiederkehrende Manifestationen einer Störung des präreflexiven Selbstgewahrseins verstehen. Aus dieser phänomenologischen Perspektive sind die einzelnen Items keine voneinander unabhängigen Symptome, wie es im medizinisch-operationalistischen Modell der Psychopathologie der Fall ist, sondern eher aspekthafte Eigenschaften eines größeren Ganzen – der ›Gestalt‹ einer veränderten Struktur des Selbstgewahrseins. Daher kann die anomale Form des Erlebens nicht ausschließlich in der atomistischen, isolierten Erfahrung als solcher (oder an sich) verortet werden, sondern ist abhängig von einem Kontext anderer, vorgängiger oder nachfolgender (diachroner) sowie gleichzeitiger (synchroner) Erfahrungen, das heißt, sie muss in Abhängigkeit vom gesamten Bewusstseinsfeld verstanden werden. Mit anderen Worten: Die mereologische (d. i. Teil-Ganzes-)Struktur dieser Gestalt impliziert, dass jede einzelne, besondere Erfahrung von jenem Ganzen geprägt ist, von dem sie sich ableitet. Jede anomale Erfahrung enthält sozusagen im Kern ein potenzielles Modell des Ganzen (der generellen Struktur).