Читать книгу Entwicklungspädiatrie in der Interdisziplinären Frühförderung. Medizinische und therapeutische Grundlagen онлайн

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Diese Veränderungen im Auftreten der Störungsbilder in der Frühförderung bilden einen Trend bei der Beschreibung der Kindergesundheit in den letzten Jahrzehnten in Deutschland ab und werden als »neue Morbiditäten«, »new epidemics« oder »neue Kinderkrankheiten« bezeichnet. Damit ist allgemein eine Verschiebung der Störungsbilder von akuten zu chronischen Krankheitsbildern sowie von primär körperlich bedingten Krankheiten zu funktionellen und psychischen Entwicklungsstörungen gemeint (Schlack et al. 2008). »Neue Morbiditäten« beschreiben also die Zunahme chronischer Erkrankungen und die Zunahme verschiedener Formen von Verhaltens- und Entwicklungsstörungen im Kindesalter, wie motorische Entwicklungsstörungen (Koordinationsstörungen, umschriebene Entwicklungsstörungen motorischer Funktionen), verzögerte Sprachentwicklung (Sprachentwicklungsstörungen), Aufmerksamkeitsstörungen mit und ohne Hyperaktivität und weitere psychische Auffälligkeiten wie zum Beispiel Depressionen oder Aggressivität. Die Entstehung dieser »neuen Morbiditäten« ist fast immer multifaktoriell bedingt, bei denen genetische und verschiedene Umweltfaktoren eine Rolle spielen. Die Zunahme dieser Störungsbilder und Diagnosen lassen sich vor diesem Hintergrund am ehesten durch veränderte Umweltfaktoren verstehen. Damit sind die veränderten und sich weiter rasch ändernden Lebenswelten von Kindern gemeint (Familie, Gesellschaft). Diese Umweltfaktoren stellen wahrscheinlich besondere Anforderungen an die Anpassungsfähigkeit und die Bewältigung von Entwicklungsaufgaben heranwachsender Kinder. Dabei ist anzunehmen, dass insbesondere soziale und einstellungsbezogene Faktoren bei den Kontextfaktoren in der Pathogenese der »neuen Morbiditäten« von Bedeutung sind. So treten diese Entwicklungsstörungen bei Kindern, die aus einer Familie mit einem niedrigen sozioökonomischen Status kommen, häufiger auf als bei Kindern, die aus Familien mit einem höheren sozioökonomischen Status stammen. Es wird deshalb auch einem sozialen Gradienten bei den »neuen Morbiditäten« gesprochen (Schlack et al. 2008).


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