Читать книгу Geld - Spiel - Glück. Glücksspiele und -spieler aus historischer, philosophischer und psychologischer Sicht онлайн

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Die Börse als Glücksspiel: Ein Vorwurf

Das Glücksspiel fand nie die Billigung der moralischen Instanzen. Alle Kirchen verurteilten es: die Katholiken, weil sie die Leichtfertigkeit missbilligten, mit der ihre Gläubigen Hab und Gut verspielten; die Protestanten, weil sie sich sorgten, ein hoher Gewinn würde den Charakter ihrer Schäflein verderben.

Solange der Adel zivilisiert sein Vermögen am Karten- oder Roulettetisch aufs Spiel gesetzt hatte, war dagegen nichts einzuwenden gewesen. Als aber die Arbeiter ihren Spargroschen zur Lotterie trugen, da schritten die Moralisten ein. Ein Balzac zum Beispiel – seinerseits mit seinen erfolglosen Spekulationen sicher nicht das Idealbild eines sparsamen Familienvaters – wetterte vehement über das Lotto als «Opium der Armut». Nicht wenige sahen, dass die Hoffnungen der Unterschicht auf die Rettung durch das grosse Los viel gemeinsam hatten mit der Besessenheit, mit der manch ein Unternehmer auf dem jungen Aktienmarkt spekulierte. Joseph De la Vega schrieb im Jahr 1688 – auf dem Höhepunkt der Lotterien und Lottos – das erste Buch über die Börse. Darin lässt er einen Philosophen, einen Händler und einen Aktionär miteinander diskutieren. Zurück bleibt die Vorstellung, der Börsenhandel sei nichts als ein Glücksspiel, der Spekulant der Spieler. Seitdem wird dieser Vorwurf immer wieder aufgegriffen. «Die Börsenspiele haben den Reiz aller Lotterien: den Reiz, den ein schneller Gewinn für den Spieler darstellt», so Jean-Baptiste Say (*1767, †1832), ein einflussreicher Wirtschaftstheoretiker des beginnenden 19. Jahrhunderts. Ähnlich Clément Juglar (*1819, †1905), der das Verhalten der Spekulanten bei einer Hausse folgendermassen schildert: «Der Geschmack am Spiel bei anhaltender Hausse ergreift die Einbildungen mit dem Verlangen, in kurzer Zeit reich zu werden wie in einer Lotterie.» Da ist der Schritt nicht mehr weit, Spekulanten als Zocker oder Finanzjongleure zu bezeichnen, wie es in heutigen Schlagzeilen häufig geschieht.

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