Читать книгу Gesammelte Aufsätze zur romanischen Philologie – Studienausgabe. Herausgegeben und ergänzt um Aufsätze, Primärbibliographie und Nachwort von Matthias Bormuth und Martin Vialon онлайн

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Tatsächlich liegt das Schwergewicht seiner Forschung in dem Ausgangspunkt vom Einzelnen – aber es ist ein Ausgangspunkt, der stets zum Allgemeinen trägt. So geht die Schrift über das französische Publikum des 17. Jahrhunderts von den Ausdrücken le public, la cour et la ville, le peuple et la cour aus. La cour et la ville wird schließlich der charakteristische Terminus, in dem ein bestimmtes Publikum gesetzt ist, das aus dem ständisch nicht sicher gebundenen, funktionslos gewordenen AdelAdel und dem BürgertumBürgertum gebildet ist. Das Bürgertum geht im Beruf so wenig auf, daß es mit der politisch machtlosen Aristokratie im Glauben an das neue Bildungsideal der honnêtetéhonnêteté sich zur Gemeinschaft, eben zum gebildeten Publikum zusammenschließen konnte. Ob man nun angesichts der neuen Funktion im Ganzen, die den Ständen zufiel, von einem Funktionswechsel oder von einem Funktionsloswerden von Adel und Bürgertum spricht1 – in dem neu gebildeten Publikum sammelt sich das Normbewußtsein der französischen KlassikKlassik (französische), und darum wirkt es selbst als sichtbare lebendige Norm. Denn in der Ablehnung bestimmter Formen der Preziosität, der religiösen Heuchelei, in der Bindung an die bienséancebienséance und an die neue Philosophie gehorcht das Publikum einem Gesetz des Maßes, das im Zusammenstimmen von Normen und Formen besteht, die respektvoll zu beachten auch die bourgeois im Parterre sich stets verpflichtet fühlen. Darum ist das Parterre nicht das Volk, wohl aber eine Schicht, die hervorragend geeignet war, mit der höheren höfischen Gesellschaft innerlich zu verschmelzen. Weil in beiden kein ständisch bestimmbarer Geist herrschend war, ergab sich aus dem Zusammenklang der in der Vereinzelung nicht wirksamen Kräfte eine neue Organisation des Lebens. Hier wird die geistige Situation einer Epoche zur Entfaltung gebracht, man sieht sich, Aug in Auge, der großen dichterisch-kritischen Bewegung der Zeit gegenüber und sieht durch das Medium der Wörter alle ihre Züge gesammelt konzentriert.

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