Читать книгу Gesammelte Aufsätze zur romanischen Philologie – Studienausgabe. Herausgegeben und ergänzt um Aufsätze, Primärbibliographie und Nachwort von Matthias Bormuth und Martin Vialon онлайн

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Ein ähnliches Beispiel bietet der Aufsatz Über PascalsPascal, B. politische Theorie, der von dem Fragment der Pensées ausgeht, das von der Schwäche des Rechts handelt. Das Fragment fesselt den Leser durch das Gleichgewicht von Anschauung und Form, durch eine Diktion, die so sehr PascalPascal, B. ist, daß sie Anzeichen einer ganz neuen Art inneren Aneignens zu sein scheint, einer «einzigartigen Verbindung von Logik, Rhetorik und Leidenschaft». In den Pascalschen Gedanken treffen verschiedene Entwicklungslinien zusammen, und zwar MontaigneMontaigne, M. des die Gesetze auf die Gewohnheit reduzierende Ansicht mit der Lehre von Port-RoyalPort-Royal über die ursprüngliche Verderbnis der menschlichen Natur. Die Verbindung beider ist das Medium, in dem PascalsPascal, B. Gedanke sich entwickelt. Sein Haß gegen die menschliche Natur, seine Entlarvung des menschlichen Rechts als gesetztem und bösem und seine Anerkennung dieses bösen Rechts als des einzigen zu Recht bestehenden, zeigen die für das behandelte Fragment charakteristische Motivverflechtung, ja die Durchdringung seines Denkens mit Montaigneschen und kirchlich-theologischen Vorstellungen. Die Pascalsche Theorie ist der Ausdruck dafür, daß die Passivität des Christen gegenüber der bösen Welt die notwendige Begleiterscheinung seines Sündenbewußtseins ist, und zugleich tritt in der schrittweisen Enthüllung der Begriffe von Macht und Recht der für das 17. Jahrhundert in Frankreich so charakteristische AugustinismusAugustinismus2 in Erscheinung, der das Bild des Menschen, das die Philosophie entworfen hat, verwandelnd umdeutet, indem er es unter die allgemeine Wirklichkeit christlicher Heilsordnung stellt. In der Analyse der Motive nimmt Auerbach nicht nur auf den im Wesen von PascalsPascal, B. Person und in der politischen Welt des 17. Jahrhunderts angelegten Weg der Erkenntnis Bezug, er zeigt gleichzeitig die Nachwirkung philosophischer und theologischer Begriffe als eine innere Bestimmung des christlichen Lebens. Erscheint so die böse Welt, in deren blinde Zufälle das Dasein gebannt ist, als die Schranke, die den Menschen von jeder Aktivität trennen müßte, so steht – doch nur scheinbar – einer solchen Erkenntnis der positive Kampf der Lettres provinciales gegenüber. Der Pamphletist ist nämlich das Werkzeug Gottes, dessen Wille im Sieg oder in der Niederlage der Wahrheit zum Vorschein kommt. Der Aufsatz bietet ein vorzügliches Beispiel der Interpretationskunst: in allen Formulierungen verlieren wir das Fragment nicht aus den Augen, es wird nur seinem Gehalt nach immer wieder neu gefaßt und in anderer Beleuchtung gesehen – es diente als Ausgangspunkt für eine umfassende Deutung, die wesentliche Bezirke Pascalschen Denkens berührt.

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