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Der erweiterte Klangbegriff

»Ich habe nicht versucht, James Brown mit Stockhausen zu collagieren, sondern etwas Eigenes zu erfinden, was all das als Ausdrucksform akzeptiert und daraus schöpft.«

– Irmin Schmidt –

Die von Stockhausen vermittelte Erkenntnis, dass jeder Ton und jedes Geräusch zu Musik werden können, beflügelt nicht nur Schüler wie Holger Czukay und Irmin Schmidt, sondern auch Ralf Hütter, Florian Schneider und Karl Bartos von Kraftwerk. Als Stockhausen 1962 einige der wichtigsten zeitgenössischen Komponisten nach Berlin einlädt, darunter John Cage, hinterlässt dies ebenfalls tiefe Spuren. Doch sind es weniger die kompositorischen Strukturen, die später Eingang in die Musik von Can oder Kraftwerk finden sollen – vielmehr ist es Stockhausens radikale Auflösung traditioneller musikalischer Ordnungen zugunsten einer Konzentration auf den Klang an sich. So wird das Tonstudio zum neuen Instrument, das den Klang von den Zwängen akademischer Musikproduktion befreit.

Geprägt von diesem Denken lehnen Musiker nun auch die herkömmliche Ausbildung ab. Verächtlich belächelt man Musiktheorie und Notenlehre, denen man allenfalls noch eine Eignung zur Hausmusik zugesteht. »Meine Mutter hat zu Hause immer ihre Lieblingskompositionen gespielt«, erzählt Michael Rother. »Ich habe um eine musikalische Ausbildung immer einen Bogen gemacht. Ich wollte nie Noten lesen lernen, das war schon von Anfang an nicht der Weg, der mir vorschwebte.« Noten gelten als äußerlicher Zwang, als verordnete, erstarrte Musik, die keinerlei Modulation durch den Interpreten mehr zulässt – das krasse Gegenteil des grenzenlosen Krautrock-Ansatzes also. »Ich habe gemerkt, dass ich besser bin, wenn ich die Augen schließe und nicht nach fremdbestimmten Notenbildern spielen muss«, sagt Hellmut Hattler. »Ich habe gemerkt, dass ich dann am besten bin, wenn ich nichts will und nichts denke. Dann bekommt die Musik einen Ausdruck.«

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