Читать книгу Krautrock. Gegenkultur, LSD und kosmische Klänge онлайн

97 страница из 109

Dekonstruktion und Klangcollage

Zum neu entdeckten Deutschtum gehört die Abrechnung mit der jüngsten Vergangenheit. In aggressiv-destruktiven Klängen werden nun Nazi-Vergangenheit, Spießertum und die »alte Ordnung« symbolisch zerstört, Melodien, Töne und Rhythmen zerstückelt und neu zusammengefügt. Aus den musikalischen Trümmern entsteht, analog zur deutschen Geschichte, ein neues Selbstbild, das seine nationale Identität nicht leugnet. »Die Schräglagen sind ja genau daraus entstanden, dass wir diese Dinge ad absurdum geführt haben«, erläutert Hans-Joachim Irmler. »Wir fanden es aber wichtig, dass es überhaupt wieder etwas Deutsches gibt – ohne nationalistisch zu sein. Das hat damals alles einen gewissen Beigeschmack gehabt. Trotzdem haben wir durchaus auch die Tradition gesucht. Wir hielten das für einen wichtigen Aspekt unserer Kultur.«

Bei einem Faust-Konzert 1973 in London wird in der Bühnenmitte ein massiver Betonklotz platziert, den die Band mit einem Presslufthammer bearbeitet. Splitter des Blocks spritzen ins Publikum. »Der Lärm war ohrenbetäubend«, schreibt die englische Zeitschrift Mojo 1997 in einem Rückblick, in dem die Musik der Deutschen als »Kunst-Terrorismus« bezeichnet wird. »Doch der Schock war ungeheuer erregend, erzeugte er doch dasselbe befreiende Gefühl, das die Besucher Anfang des 20. Jahrhunderts bei Ausstellungen der Surrealisten oder Dada-Künstler verspürt haben müssen – das Gefühl, dass eine Barriere unwiderruflich überwunden, die Grenzen jeglicher Tabus gesprengt worden waren.«

Правообладателям