Читать книгу Die Stimme des Atems. Wörterbuch einer Kindheit онлайн

60 страница из 94

Frau Ess ist eine harte Arbeiterin, die einsilbig und nur zur Sache redet, zur Wäsche also. Ihre Zufriedenheit nährt sich aus deren Sauberkeit. Je fleckenloser, vom Vorwaschen über den Hauptwaschgang bis zum Nachspülen und Zentrifugieren, die Wäsche wird, desto besserer Dinge ist Frau Ess. Doch im Hinblick auf den brachialen Reinigungsvorgang liebt sie die schmutzige Wäsche. Frau Ess zeigt mir, wie beglückend eine Arbeit sein kann, wenn das Produkt nach zwei Stunden an der Leine in der Sonne blendet. Am Abend weiss und spürt Frau Ess, was sie gearbeitet hat. Sie blickt zurück auf Laken, Kissenbezüge, Unterhosen, Hemden und Socken, sieht sie im Frühlingswindchen leicht und kühl flattern, dreht sich auf die Seite und schläft mit einem schnarchenden Seufzer ein. Denn schnarchen tut sie, sonst hätte sie keinen Schnurrbart. Auch einen Mann hat sie, einen kleinen schwitzenden Wicht, den sie irgendwo in ihrem mächtigen Busen mit sich trägt.

Ich versuche nun, mich in der Waschküche nützlich zu machen, reiche den Stössel hierhin und das Waschbrett, weil Frau Ess die Taschentücher vornehmen will, dorthin. Das gewellte Blech schlurrt unter den auf- und abfahrenden Händen von Frau Ess. Ich stehe da und sehe zu; eine der Frauen nimmt mich sanft am Hinterkopf und führt mich einige Schritt beiseite. Ich ziehe mich zwischen die Badewanne und die Wäschezentrifuge zurück. Eine unheimliche Maschine, innen ausgekleidet mit einem Lochzylinder aus Chromstahl, der bis an den Grund gnadenlos sauber blitzt. Wer die Hand hineinhält, sagt die Mutter, dem wird sie abgerissen. Doch noch steht die Zentrifuge still und leer. So halte ich eine Weile den Arm hinein und trotze der Angst, die Maschine könnte sich, meinen Vorwitz zu bestrafen, von selbst zu drehen beginnen. Dann trete ich unter die offene Tür in den abziehenden Dampf.

Правообладателям