Читать книгу Die Stimme des Atems. Wörterbuch einer Kindheit онлайн

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Durch die Waschküchentür über mir die Stimmen der Frauen, ruhig, sachlich, hie und da, um ein Zischen oder Klatschen zu übertönen, leicht angehoben, verständlich fast nur die alltäglichen Wendungen: Die Socken dort drüben. – Nochmals. – So, die sind sauber. Die Wäschezentrifuge wummert. Klatsch liegt weder meiner Mutter noch der Wäscherin. Wenn über andrer Leute Wäsche gesprochen wird, dann objektiv. Auch so hatʼs Löcher drin. Ein deutlich hörbares Müdewerden der Stimme meiner Mutter, ein Erlöschen ihres Interesses nähme jedermann die Lust, sich hinter vorgehaltener Hand im übertragenen Sinn weiterzuverbreiten. Sie ist der Meinung, man müsse zu dem, was man gesagt hat, auch vor denen stehen können, die es betrifft.

Meine Nase steckt tief im dunkelrostbraunen Kelch einer «General de Wet»; den seifigen Mief der hellgelben Tulpen mag ich nicht, dagegen lockt mich der bittere Schokoladenduft der dunklen Arten. Vronis helle Stimme ruft mich, in einer Viertelstunde sei das Znüüni auf dem Tisch; ich richte mich auf, das Mädchen winkt aus der Waschküchentür. Als ich eintrete, ist Vroni mit der Wäscherin allein; die Mutter bereitet oben den Imbiss zu. Frau Ess, die Ärmel ihres Überkleids aus ausgebleichtem blauem Leinen hinter die Ellenbogen gerollt, steht in der schwarzen Gummischürze vor dem Siedekessel. Mit einem letzten Schnorcheln zieht sie den Stössel heraus und versenkt ihn linker Hand im Vorwaschtrog, wo die zweite, längst eingeweichte Portion bis obenauf schwimmt. Sie ergreift einen fasrigen schneeweissen Holzstab, sticht damit in die dampfende Tiefe des Kessels und hebt mit einem Stöhnen der Anstrengung die erste Wäscheladung, alles Bettlaken, aus dem Sutt. Sie dreht, lässt abtriefen, dreht; die Leintücher winden sich zu einem dicken Wulst um das Stangenende. Nun flutscht sie den dampfenden Knäuel in weitem Bogen in den Spültrog. Vroni dreht bis zum Anschlag an den Flügeln des Kaltwasserhahns, das Wasser spritzt. Genug! Mit dem Stössel vertreibt Frau Ess die Laugereste aus der gesottenen Wäsche. Inzwischen schöpft Vroni mit dem Goon, einer langstieligen, etliche Liter fassenden Blechkelle, das verbrauchte Wasser aus dem Siedekessel und giesst es in den kleinen Betonkännel am Fuss der Waschküchenwand; milchig trüb rinnt es dahin. Zuletzt ergreift Frau Ess den Siedekessel an beiden Messinghenkeln, hebt ihn heraus und schüttet den Rest der Lauge durch die Dole hinter der Türschwelle. Vroni wartet am Schwenkhahn; der Kessel wird wieder eingesetzt, Heisswasser für den zweiten Sud läuft ein. Mit beiden Händen hebt Frau Ess die Ladung – Frottierzeug, Kissenbezüge, Servietten – aus dem Vorwaschtrog, lässt sie abtriefen und klatscht sie in den Siedekessel, dann zerrt sie an einem Bändel und zieht sich die schwarze Gummischürze wie eine enge Haut vom massigen Leib. Wieder steht sie in verwaschen blauem Leinen da. Vroni hat Holz nachgelegt; Frau Ess dreht den Heisswasserhahn am Schwenkarm zu und stülpt den Deckel über den zweiten Sutt. Wir treten erst in den Kellervorraum, dann in den gefliesten Korridor hinter der Haustür, steigen die Kunststeintreppe hoch in den Flur und lassen dort die trotz der Holzpritschen durchnässten Schuhe neben der Schwelle der verglasten Esszimmertür stehen.

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