Читать книгу Die Stimme des Atems. Wörterbuch einer Kindheit онлайн

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(Drittes Lebensjahr. Die Erinnerung schlummert während Jahren, wird eines heissen Sommertags aufgestört; diesmal dringt der Geruch aus dem weiten Garten einer Villa, wieder das Grauen, der Fluchtimpuls. Viel später finde ich heraus, dass er von den saftklebrigen, dampfend schlappen Johannistrieben der Pappeln verströmt wird. Meine Reaktion auf diese übermächtige, künstlich gesüsste Ausdünstung bleibt dieselbe. Warum «Samengeruch»? Ich weiss es nicht.)

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Holzbär

Den rechten Arm weit vorgestreckt, in der Hand einen spannenlangen geschnitzten Holzbären, gehe ich durch die finstere Küche auf den Abort. Dort erledige ich das Geschäft, ergreife den Bären auf dem Fenstersims, ziehe am Holzgriff der Kette zum Spülkasten, ein bedrohlich tosender Wasserguss, ich reisse die Tür auf, schlage sie zu und taste mich, eine Armeslänge hinter dem Tier her, durchs Küchendunkel ins Wohnzimmer zurück.

(Drittes Lebensjahr. Ich wurde meine Angst vor dem Dämmer in der Küche und der Wucht der Spülung aus dem hoch oben an der Wand angebrachten Kasten nicht los. Die Mutter, müde, mich zu begleiten und mir beim Herunterlassen des Hosenladens zuzusehen, drückte mir den Holzbären in die Hand: er werde mich vor dem schwarzen Mann in der Küche beschützen und dafür sorgen, dass das Wasser nicht über den Rand der WC-Schüssel steige und mich in die Kanalisation hinunterspüle. Ich glaubte ihr ohne Wanken.

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