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Der Mann liest das zweite Hexagramm, die Wandlung.
50. Ding – Der Tiegel
Das Bild des Tiegels legt gleichzeitig den Gedanken der Ernährung nahe.
Neben dem Mann das Porträt des lächelnden Han-Shan, vor ihm ein Fenster, das auf den Fluss und den dunklen Wald dahinter geht. Nun bricht der neue Tag an. Am Horizont ist allmählich eine helle Linie zu erkennen. Sekunden ticken weg. Millionen von Jahren.
Der Mann steht auf, macht ein paar Schritte durch den Raum, atmet tief ein und aus, konzentriert sich auf das Atmen, setzt sich dann wieder an den Tisch. Trinkt einen Schluck Tee und gießt sich noch ein wenig nach. Wo ist sie, die Stimmung harmonievoller Verschmelzung von Himmel und Erde? Die graue Helle des winterlichen Morgenanbruchs macht sich über die Tagebuchseiten her, auf denen für Melancholie und Wut kein Platz ist. «Es gibt nichts Besonderes zu verstehen, aufmerksam zu sein reicht», schreibt er, einen einige Jahre zuvor verstorbenen Freund zitierend.
So ist hier die Kultur gezeigt, wie sie ihren Gipfel in der Religion hat. Der Tiegel dient zum Opfern für Gott. Das höchste Irdische muss dem Göttlichen geopfert werden. Aber das wahrhaft Göttliche zeigt sich nicht abgesondert vom Menschlichen.