Читать книгу "Euch zeig ich's!". 15 Zürcherinnen erzählen онлайн
17 страница из 72
Von jetzt an ist alles anders. Sie, die so gern isst, muss Diät halten. Auslandsreisen sind von nun an zu riskant. Heftig lehnt sie sich gegen die Krankheit auf. So sehr, dass sie mehrmals daran denkt, ihr Leben fortzuwerfen. «Vier Jahre lang habe ich gcholderet.» Allmählich beginnt sie, die Grenzen zu akzeptieren, und damit wächst auch das Verständnis für anderer Leute Schwächen. «Früher hast du die Zimperlisen und Finöggeli verachtet, nun bist du selber so eine. Geschieht dir recht», weist sie sich selbst zurecht und findet, wenn nicht Trost oder Sinn, so doch eine Art grimmige Gerechtigkeit in dieser Einsicht.
Der Stress in der Schule wird zu viel, der Arzt rät ihr zu ruhigerer Gangart. Und sie glaubt, in der Kartause Ittingen den idealen Ort gefunden zu haben. Auf einer Wanderung entdeckt sie das idyllisch gelegene ehemalige Kartäuserkloster in der Nähe von Frauenfeld, vom Zerfall bedroht, von Holunderbüschen überwachsen. Eine Stiftung will die Anlage restaurieren und eine kirchliche Bildungsstätte daraus machen. Eine Hausmutter wird gesucht, die für die Bauarbeiter kocht und die Patienten aus der Psychiatrie, die im Werkbetrieb integriert werden, betreut. Ruth Angst stellt sich das ideal vor: Mit den Frauen würde sie Socken stricken, mit den Männern Lindenblüten pflücken und bis an ihr selig Ende in einer der lauschigen Mönchszellen wohnen. Sie kündigt ihre Stelle in Dübendorf und freut sich, dass sie den Mut aufbringt, mit gut 51 Jahren noch einmal etwas völlig Neues zu wagen.