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Die Geschichtsschreibung mittels mündlicher Quellen ist also durchaus «problematisch», aber in einem andern Sinn, als Bonjour meint: nicht deshalb, weil sie unpräzise wäre (das sind im Gegenteil oft die Dokumente, welche einen riesigen Teil der Wirklichkeit unterschlagen), sondern weil sie ein neues Geschichtsbild entwirft und das alte relativiert. Problematisch für wen? Geschichte des Volkes, vom Volk selbst verfasst, das ohne Hemmungen frisch von der Leber weg erzählt, kann recht problematisch werden für alle Arten von Machthabern.

Der Intellektuelle hat bei dieser «Schreibung» nicht mehr die Funktion des allmächtigen, einsamen Interpreten und Schreibtisch-Strategen, er spürt nur die Leute auf, die sich genau erinnern, und überlässt ihnen das Wort. Er ist eine Art von Mikrophon, funktioniert vor allem als Zuhörer, wie der Psycho-Analytiker. Durch geduldiges Zuhören bringt er die widerborstige Wahrheit an den Tag. Natürlich montiert er die verstreuten Aussagen schlussendlich zu einem Ganzen. Aber wenn diese subjektive Montage im Widerspruch steht zur Grundströmung der objektiv geäusserten Meinungen, dann blamiert er sich selbst vor dem Leser (oder Zuschauer).

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