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«… Partizipieren wir alle persönlich, und nirgends ist das Leben so persönlich geworden wie in der Reklame. Wir partizipieren am Chästeilet, am Candlelight, am Parcours und an der Direttissima. Die Reklame ist die Inkarnation der Klassenlosigkeit, in der alle als Charakterköpfe ganz ausgeprägt individuell geniessen. Es gibt keine Elite, keine Minderheit und keine Aussenseiter in der Totalen des Mittelstandsglücks, weil da alle mit allen identisch sind. Pardon, auch Sie, Madame, sind die Omi des sprudelnden Seniorenwesens und das Happy Baby, und Sie, Esquire, sind der Ferdi Kübler der Versicherungen und der Daddy der reparierenden Munterkeit. Alle passen fugenlos in den Selbsterfüllungsapparat und sind Alle für Alli. Auf dem gesunden Zahnschmelz von Eiger, Mönch und Chästeller erfüllt sich das Schwiizer Qualitätsglück, die eidgenössische Fassung des Kommunismus.»

Und wirklich, liebe Reklamiker, ihr produziert das Gemüt einer herzlosen Welt, die Labsal der verdürstenden Gesellschaft, die Ambulanz der Verzweifelten, die Tünche auf dem Saustall, und ihr verhelft den Massen nicht zu ihrem Recht, aber doch zu ihrem Ausdruck. Die von euch produzierte Scheinhaftigkeit wird künftigen Historikern Rückschlüsse auf die Wirklichkeit zu ziehen erlauben, und insofern erfüllt ihr wenigstens für die Nachwelt eine wichtige Funktion. Die unberührten Landschaften und wilden Naturwüchsigkeiten der Reklame deuten auf Landschaftszerstörung in der realen Welt, die ewig strahlenden Visagen der Select- und Strumpfhosengirls geben einen Fingerzeig auf die triste Welt der Grossraumbüros, und das Negativ des gsünsen Rhäzünsers ist der von den Fischen befreite – wenigstens temporär befreite – Rhein bei Basel. Je verreckter die Verhältnisse auf dem Wohnungsmarkt, desto glücklicher strahlt die Kleinfamilie aus den Inseraten von «Haus und Herd».

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