Читать книгу Schreiben. Reportagen онлайн

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Nachdem ihm derart auf den Schwanz getrampt wurde, geht der lädierte Jungmann in sich. Zwar durfte er anlässlich des Zusammenstosses viel Teilnahme erfahren, ein Teil der jüngeren Kollegen hat ihn unterstützt, auch einige von den älteren, er hat aufmunternde Telefonanrufe und Briefe erhalten (nebst einigen andern). Aber die Spontaneität ist angeschlagen, besser gesagt der Restbestand an Spontaneität, welcher nach seinen Lehrjahren übrigblieb. Er zieht sich ins Redigieren zurück, das wenige, was er schreibt, überprüft er auf seine Gefährlichkeit. Bald langweilt ihn seine Verwaltungsarbeit, er ist nicht zum Funktionär geboren und schliesslich Journalist geworden, weil er etwas zu sagen hat, und nicht, weil er etwas unterdrücken will. Er bittet um Versetzung in ein anderes Ressort. Man entschliesst sich, ihn als Reporter «einzusetzen», da kann er beobachten und muss nicht immer Stellung nehmen. Er beobachtet also sehr scharf die Gesichter der Polizisten, welche die Demonstration Y auflösen, und schreibt von diesen Gesichtern: «wutverzerrt». Nach genauer Befragung von 10 Demonstranten verschiedenen Alters stellt sich heraus, dass der Polizeivorstand die Keilerei geschickt provoziert hat. Der Reporter schreibt: «provoziert». Befriedigt lächelnd gibt der Polizeivorstand sogar zu, dass die Provokation gelungen ist. Der Reporter schreibt, er kann nicht anders: «Befriedigt lächelnd.» Da der Chef vom Dienst grad ein wenig schläfrig war, geht die Reportage durch. Anschliessend wird unser Reporter vom Lokalredaktor kräftig zusammengeschissen, da dieser ein Spezi des Polizeivorstands ist, und deshalb weiss der Lokalredaktor, dass der Polizeivorstand so etwas einfach nicht gemacht und gesagt haben kann, es liegt nicht in seiner Natur, er kennt ihn seit Studienzeiten. Fortan wird unser Reporter nur noch an Festakte und Einweihungen geschickt. Zwar hat er auch hier noch Lust, vom «langweiligen Gesumse einer stadtpräsidentlichen Rede» zu schreiben oder die Jahresversammlung des Rotary-Clubs ein «Symposium der regierenden Extremisten» zu nennen, aber er tut's nicht, seine Frau hat eben das zweite Kind bekommen, und seine Zeitung, die nette Firma, hat ihm einen Kredit gewährt, damit er ein Haus kaufen kann und damit er noch ein bisschen mehr von ihr abhängig ist.

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