Читать книгу Das Dorf des Willkommens онлайн

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Den nach Argentinien ausgewanderten Riacesi verdanke ich die Bereitschaft, uns ihre leerstehenden Häuser zur Verfügung zu stellen, damit wir dort im Rahmen unseres Willkommensprojekts die zu uns gekommenen Migranten unterbringen konnten. Sie taten das nicht aus Glaubenseifer, sondern aus Solidarität, auch weil sie durch ihre eigene Geschichte ein tiefes Bewusstsein für das Phänomen Migration gewonnen hatten. Sie waren zwar nicht vor dem Krieg geflohen, sondern hatten »nur« aus wirtschaftlichen Gründen einer der prekärsten Regionen Europas den Rücken gekehrt, um in Südamerika Arbeit und eine bessere Zukunft zu finden. Doch auch sie haben ihre familiären Bindungen geopfert. Auch meine Mutter hat Teile ihrer Familie verloren, und als ich ein Kind war, sagte sie oft zu mir: »Als meine Schwestern nach Argentinien gegangen sind, wusste ich genau, dass ich sie nicht wiedersehen würde, wahrscheinlich nie mehr.«

Die Erfahrung eines Abschieds für immer, glaube ich, lässt in einem Menschen eine besondere Sensibilität reifen, und so ist in Argentinien eine ganze Generation von Migranten herangewachsen, die mit einem Fuß in Buenos Aires und einem in Riace lebt, wobei dieses Riace das der Kindheit geblieben ist. Sie erinnern ihre Heimat in einer Dimension, die aufgehoben ist in der Nostalgie, vor allem die, bei denen nach und nach die Möglichkeit einer Rückkehr in die Heimat geschwunden ist, bei denen es nach und nach zur Gewissheit wurde, dass ihre Häuser für immer verlassen bleiben werden. Am Ende ist allen Migranten eines gemeinsam: Sie wurden gezwungen, ihre Heimat zu verlassen, es wurde ihnen von außen auferlegt und ist keine freie Wahl gewesen. Genauso ist es bei den Menschen, die vor Kriegen flüchten, auch wenn die Umstände hier natürlich noch sehr viel dramatischer sind.

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