Читать книгу Ich bin Vera. Durch meinen Schatten онлайн

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Diese Gedanken begleiten mich bis zu der Haustür, wo ich meine Vermieterin im Flur antreffe. Sie ist fett, ihr Busen hängt tief und die Warzen auf ihrer Nase lassen sie aussehen wie eine Hexe aus den Märchen. Sie raucht sehr viel und ihre Stimme ist tief und rau. Sie nimmt einen Zug ihrer Zigarette, bläst mir ins Gesicht und teilt mir mit: „Schätzelein, du wirst hier noch als Junggeselle alt, wenn du nicht mal in die Welt hinausgehst.“ Sie lacht sehr laut und könnte damit auch Geister beschwören. Sie wünscht mir noch einen schönen Abend, sie müsse jetzt ihren Hund spazieren führen. Ich bedanke mich, wünsche ebenso einen schönen Abend und gelange zu meiner Wohnung. Ich wohne seit fünf Jahren in diesem Block, im obersten Stock eines Hochhauses, und das ist ganz praktisch, falls ich mich doch noch umbringen will. Ich kenne meine Nachbarn nicht und ihre Namen sind mir auch egal, so wie ich ihnen egal bin. Sie sind mir gleichgültig und dennoch bin ich amüsiert, wie meine Nachbarin ihren Mann betrügt und bei Zalando ihren Frust wegkauft. Ich finde es toll, wie die junge Frau, die direkt unter mir lebt, Internetpornos dreht, um jede Menge Geld zu verdienen. Ich liebe es, dass meine schwulen Nachbarn jedes Wochenende eine Sex-Party mit vielen Drogen veranstalten und ich von meiner Wohnung aus alles hören kann. Ich weiß, dass sie Drogen nehmen, weil wir den gleichen Dealer haben. Michel, 27 Jahre, 1,90 groß, verkauft mir schon seit Jahren Speed, Koks, LSD, MDMA, Mushrooms und alles andere, was das Herz begehrt. Er hat einen großen Kundenkreis und ist trotzdem nie erwischt worden. Diesen Mut, dem eigenen Profit zu folgen, hätte ich auch gern. Hätten wir, glaube ich, alle gern. Mein Dealer sollte um 20:30 Uhr hier bei mir ankommen, um mir all die schönen Sachen bescheren, die mich von der öden Leere in mir ablenken sollten. Das allgemeine Bild, das man von Junkies hat, die dysfunktionale Hartz-4-Darstellung, entspricht nicht der Realität. Die meisten Drogenabhängigen funktionieren sehr gut, sogar zu gut. Wir führen alle ein Doppelleben irgendwie, wie oft sagen wir denn schon, es ginge uns gut, obwohl das nicht stimmt, nur damit wir uns nicht mit der lästigen Fragerei auseinandersetzen müssen. Wir entziehen uns den mitleidigen Blicken, dem Unverständnis und der Verurteilung, die garantiert folgen auf die Ehrlichkeit, die niemand wirklich aussprechen will. Ich entziehe mich, ich will es nicht aussprechen, dass etwas sich nicht gut anfühlt.

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