Читать книгу CHANGES. Berliner Festspiele 2012–2021. Formate, Digitalkultur, Identitätspolitik, Immersion, Nachhaltigkeit онлайн
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Thomas Oberender ist Autor und Kurator und seit 2012 Intendant der Berliner Festspiele.
ThemenFormateNEUE FORMATE – FORMATE DES NEUEN
Thomas Oberender
Die Erfahrung von Kunst ist in der Regel die Erfahrung einer Begegnung mit Werken. Oft begegnen wir allerdings den Werken nicht unmittelbar, sondern vermittelt durch Formate. Formate leisten als Veranstaltungsform die Vermittlung der Werke – sei dies eine Ausstellung oder eine Aufführung – als Sendeformat. Immer sind Formate Container diverser Werke, und aus der Summe unterschiedlicher Formate ergibt sich das Programm. Eine Struktur wird zum Format, wenn sie unterschiedliche Werke aufnimmt, entweder in Kombination oder sukzessive. Formate haben also gleichermaßen eine konstitutive Beziehung zu Werken wie auch zu Institutionen. Da Formate die Begegnungsform zwischen Werk und Publikum sind, wurden sie oft zu Synonymen für die Kunstformen an sich, etwa, wenn Menschen sagen: Ich gehe „ins Theater“, oder „in eine Ausstellung“ oder „in ein Konzert“ und damit nicht das Gebäude meinen, sondern das Ereignis. Formate können also mit Institutionen verschmelzen und geradezu unsichtbar werden, sie können sich aber auch von ihren Gewohnheiten lösen und temporäre Alternativen bilden. Diese Kreationen erhalten dann oft eigene Namen, als seien sie selber Werke. Sie entwickeln eine eigene Narration, die sich mit ihrem Titel und ihren Erfinder*innen verbindet. Institutionalisierte Formate hingegen wurden im Laufe der Zeit vermeintlich neutral, weil sie die Gewohnheitsform unserer traditionellen Kunstbegegnung geworden sind. Im Gegensatz zu den institutionalisierten Formaten schaffen neu kreierte Formate Originale, doch immer handelt es sich um Darreichungsformen von Werken. Formate sind keineswegs universelle Kategorien, sondern kulturell und historisch spezifisch. Ihnen eigen ist, dass normalerweise in Formaten gespielt wird, doch nicht mit Formaten. Das aber ist, wovon die nachfolgenden Zeilen handeln.