Читать книгу CHANGES. Berliner Festspiele 2012–2021. Formate, Digitalkultur, Identitätspolitik, Immersion, Nachhaltigkeit онлайн

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Doch vieles war in den letzten Jahren eben auch ein Schritt zur Seite: Marathon-vorstellungen mit traditioneller Shanghai-Oper, eine queere Geschichte Amerikas im Feiern und Ernstnehmen der Gegenstimmen aus 100 Jahren Popmusik, die griechische Antike als Exzess einer Performance über 24 Stunden mit tanzenden, schreienden, singenden und schlafenden Performer*innen auf der Bühne des Hauses der Berliner Festspiele, und, mitten im Lockdown: die lebendige Zeitansage echter Menschen im Live-Stream oder Life-Stream. Festspiele waren der losgelassene Jazz von Anthony Braxton, Weltstars wie Ai Weiwei oder Yayoi Kusama und ihre bewusstseinserweiternden Entgrenzungs-Installationen im Gropius Bau und auch eine gemalte Neuschaffung der Welt im No-Limit-Nationaltheater Reinickendorf von Vegard Vinge und Ida Müller. Es war japanisches Nō-Theater in Hans Scharouns Philharmonie, Teodor Currentzis mit seinem ätherischen MusicAeterna-Chor und die neuen Kompositionen von Rebecca Saunders und ihren Zeremonien der menschlichen Stimme. Es waren die nächtlichen Erlebnisse von Minimal Music auf Feldbetten im Kraftwerk Berlin, eine aus praktischer Sicht eigentlich unmögliche, aber doch umgesetzte Wiederaufnahme von Frank Castorfs Faust beim Theatertreffen und das in der Planung nicht minder aufwendige Film- und Communityprojekt mit dem Titel DAU, das in einem komplizierten Gefüge zwischen Veranstalter*innen, Behörden und Berliner Feuilletons letztlich nicht umgesetzt werden konnte. Die Berliner Festspiele waren Open-Air-Tanzprojekte mit Choreografien aus 100 Jahren vor dem sowjetischen Ehrenmal im Treptower Park und, im Dunkeln verborgen, William Kentridges Sonderausstellung unter der Bühne des Hauses der Berliner Festspiele. Festspiele – das war Kunst mit Objekten, Pflanzen, Puppen und Avataren, das waren internationale Ausstellungen und eine kluge Liebe zu den vergessenen Unvergessenen wie Germaine Krull oder Wenzel Hablik und den namenlosen Schöpfer*innen historischer Artefakte der archäologischen Ausstellungen von Matthias Wemhoff.


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