Читать книгу "... es ist ein zu starker Contrast mit meinem Inneren!". Clara Schumann, Johannes Brahms und das moderne Musikleben онлайн

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Brahms betrachtete sich hingegen als einen eher unverbildeten Musiker und betonte, dass es die unterschiedlichsten Ausrichtungen in der zeitgenössischen Musik gibt. »Weder Schumann, noch Wagner, noch ich haben was Ordentliches gelernt«, denn »keiner hat eine ordentliche Schule durchgemacht«, kommentierte Brahms, der wenig auf eine akademische Ausbildung gab. Dafür habe man mit Fleiß »nachgelernt«. Die verschiedenen individuellen Wege waren unausweichlich: »Da war auch das Talent entscheidend. Schumann ging den einen, Wagner den anderen, ich den dritten Weg.«132

Was man den ›Schulen‹ entgegensetzen konnte, waren gute, überragende und noch bessere Kompositionen. Doch während sich die Reihen der Gegner zusammenschlossen, lichteten sich die eigenen. Der unerwartet frühe und schlagartige Verlust von Mendelssohn war eine einschneidende Zäsur in der deutschen Kulturgeschichte. Man hatte nicht nur einen der bedeutendsten Komponisten und Interpreten verloren; mit ihm riss ein bedeutsamer Strang der musikalischen Entwicklung ab. Dies machte es Liszt, Wagner und ihren Kreisen einfacher, fortan gegen ihn Stellung zu beziehen. Zu Lebzeiten war es Liszt und Mendelssohn noch gelungen, die Fassade der Höflichkeit zu wahren, wobei laut Andreas Moser »der unbeteiligte Beobachter annehmen konnte, sie beruhten auf gegenseitiger Hochachtung und Wertschätzung«. Mendelssohn bestaunte den Tastenzauberer und inspirierten Plauderer Liszt wie eine Zirkusattraktion, während dieser »wenigstens eine Zeit lang äusserlich einen gewissen Respekt vor dem ›specifischen‹ Musikergenie und den Dirigentenfähigkeiten Mendelssohns zur Schau« trug. Eine Künstlerfreundschaft zwischen ihnen war jedoch ebenso wenig denkbar wie zwischen Liszt und den Schumanns, Brahms nebst Joachim. Es handelte sich um »viel zu heterogene Naturen, als dass sie sich zu einander so hätten hingezogen fühlen können«.133 Scharfe Auseinandersetzungen waren vorgezeichnet. Als das Ehepaar Schumann wieder einmal Freunde zu einem Kammermusikabend in sein damaliges Domizil in Dresden geladen hatten, kam es zum Eklat. Dass Liszt mit zwei Stunden Verspätung auftauchte, war im Hinblick auf die anderen beteiligten Künstler schon ärgerlich genug. Die angespannte Atmosphäre konnte er noch durch wohlwollende Worte zu Robert Schumanns Klaviertrio abmildern. Über das sich anschließende Klavierquintett Schumanns rümpfte er aber nur die Nase und meinte, es sei »zu leipzigerisch«.134 »Allein Schumann war nicht der Mann, Sottisen, die ihm oder dem von ihm so hoch verehrten Mendelssohn galten, schweigend einzustecken«, schilderte Andreas Moser die Situation. Als Liszt in »wegwerfendem Ton« über Mendelssohn sprach, fuhr Schumann, »an allen Gliedern vor heftiger Erregung zitternd«, ihn in Gegenwart Richard Wagners und anderer namhafter Künstler an: »Wie können Sie sich erlauben, über einen Künstler wie Mendelssohn, der so hoch über Ihnen steht, in so abfälliger Weise zu reden?!«135

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