Читать книгу "... es ist ein zu starker Contrast mit meinem Inneren!". Clara Schumann, Johannes Brahms und das moderne Musikleben онлайн

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Am 28. Oktober 1853 erschien sein Beitrag über Johannes Brahms als den kommenden Mann der deutschen Musik unter dem ambitionierten Titel »Neue Bahnen« auf der Titelseite der Neuen Zeitschrift für Musik.118 Bereits in der Einleitung erinnerte Robert Schumann daran, dass er als jemand, der sich jahrelang »der früheren Redaktion dieser Blätter widmete«, eine qualifizierte Instanz für diesbezügliche Prophezeiungen sei. Er formulierte sein Anliegen in einer für das 19. Jahrhundert durchaus üblichen rhetorischen Weitschweifigkeit, die mit mythologischen Anspielungen durchsetzt wurde. Man warte auf einen »Auserwählten«, hieß es, der »uns die Meisterschaft nicht in stufenweiser Entfaltung brächte, sondern, wie Minerva, gleich vollkommen gepanzert aus dem Haupte des Kronion entspränge«. Er kündigte an, dass nun »ein junges Blut« gekommen sei, »an dessen Wiege Grazien und Helden Wache« hielten: »Er heißt Johannes Brahms, kam von Hamburg, dort in dunkler Stille schaffend, aber von einem trefflichen und begeistert zutragenden Lehrer gebildet in den schwierigsten Satzungen der Kunst, mir kurz vorher von einem verehrten bekannten Meister empfohlen. Er trug, auch im Aeußeren, alle Anzeichen an sich, die uns ankündigen: das ist ein Berufener. Am Clavier sitzend, fing er an wunderbare Regionen zu enthüllen. Wir wurden in immer zauberischere Kreise hineingezogen. Dazu kam ein ganz geniales Spiel, das aus dem Clavier ein Orchester von wehklagenden und lautjubelnden Stimmen machte. Es waren Sonaten, mehr verschleierte Symphonien, – Lieder, deren Poesie man, ohne die Worte zu kennen, verstehen würde, obwohl eine tiefe Gesangsmelodie sich durch alle hindurchzieht, – einzelne Clavierstücke, theilweise dämonischer Natur von der anmuthigsten Form, – dann Sonaten für Violine und Clavier, – Quartette für Saiteninstrumente, – und jedes so abweichend vom andern, daß sie jedes verschiedenen Quellen zu entströmen schienen. Und dann schien es, als vereinigte er, als Strom dahinbrausend, alle wie zu einem Wasserfall, über die hinunterstürzenden Wogen den friedlichen Regenbogen tragend und am Ufer von Schmetterlingen umspielt und von Nachtigallenstimmen begleitet.« Schumann krönte seinen Artikel mit einer Aussage, die für Johannes Brahms mehr Gefahren barg, als ihm nützten konnte: »Wenn er seinen Zauberstab dahin senken wird, wo ihm die Mächte der Massen, im Chor und Orchester, ihre Kräfte leihen, so stehen uns noch wunderbarere Blicke in die Geheimnisse der Geisterwelt bevor. Möchte ihn der höchste Genius dazu stärken, wozu die Voraussicht da ist, da ihm auch ein anderer Genius, der der Bescheidenheit, innewohnt. Seine Mitgenossen begrüßen ihn bei seinem ersten Gang durch die Welt, wo seiner vielleicht Wunden warten werden, aber auch Lorbeeren und Palmen; wir heißen ihn willkommen als starken Streiter.« Die »Lorbeeren« waren durchaus wörtlich zu nehmen, denn es war eine im 19. Jahrhundert übliche Praxis, bei Jubiläen oder als Dankesbezeugung bei herausragenden Leistungen auf dem Konzertpodium, öffentlich individuell dekorierte Teller, Pokale oder Lorbeerkränze zu überreichen.

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