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Wann der kalte Schnee zergangen,

Stehst du draußen in der Tür,

Kommt ein Knabe schön gegangen,

Stellt sich freundlich da zu dir,

Lobet deine frischen Wangen,

Dunkle Locken, Augen licht,

Wann der kalte Schnee zergangen,

Glaub dem falschen Herzen nicht!

Wann die lauen Winde wehen,

Scheint die Sonne lieblich warm:

Wirst du wohl spazierengehen,

Und er führet dich am Arm,

Tränen dir im Auge stehen,

Denn so schön klingt, was er spricht;

Wann die lauen Winde wehen,

Glaub dem falschen Herzen nicht!

Wenn die Lerchen wieder schwirren,

Trittst du draußen vor das Haus,

Doch er mag nicht mit dir irren,

Zog weit in das Land hinaus;

Die Gedanken sich verwirren,

Wie du siehst den Morgen rot;

Wann die Lerchen wieder schwirren,

Armes Kind, ach, wärst du tot!

Das Lied rührte Friedrich selbst mit einer unbeschreiblichen Gewalt. Die Glücklichen hatten ihn nicht bemerkt, er hörte das Mädchen noch munter lachen, als sie schon beide wieder verschwunden waren.

Der Winter neckte bald darauf noch einmal durch seine späten Züge. Es war ein unfreundlicher Abend, der Wind jagte den Schnee durch die Gassen, da ging Friedrich, in seinen Mantel fest eingewickelt, zu Rosa. Sie hatte ihm, da sie überhaupt jetzt mehr als sonst sich in Gesellschaften einließ, feierlich versprochen, ihn heut zu Hause zu erwarten. Er hatte eine Sammlung alter Bilder unter dem Mantel, die er erst unlängst aufgekauft, und an denen sie sich heut ergötzen wollten. Er freute sich unbeschreiblich darauf, ihr die Bedeutung und die alten Geschichten dazu zu erzählen. Wie groß aber war sein Erstaunen, als er alles im Hause still fand. Er konnte es noch nicht glauben, er stieg hinauf. Ihr Wohnzimmer war auch leer und kein Mensch zur Auskunft da. Der Spiegel auf der Toilette stand noch aufgestellt, künstliche Blumen, goldene Kämme und Kleider lagen auf den Stühlen umher; sie mußte das Zimmer unlängst verlassen haben. Er setzte sich an den Tisch und schlug einsam seine Bilder auf. Die treue Farbenpracht, die noch so frisch aus den Bildern schaute, als wären sie heute gemalt, rührte ihn; wie da die Genoveva arm und bloß im Walde stand, das Reh vor ihr niederstürzt und hinterdrein der Landgraf mit Rossen, Jägern und Hörnern, wie da so bunte Blumen stehen, unzählige Vögel in den Zweigen mit den glänzenden Flügeln schlagen, wie die Genoveva so schön ist und die Sonne prächtig scheint, alles grün und golden musizierend, und Himmel und Erde voller Freude und Entzückung. Mein Gott, mein Gott, sagte Friedrich, warum ist alles auf der Welt so anders geworden! Er fand ein Blatt auf dem Tische, worauf Rosa die Zeichnung einer Rose angefangen. Er schrieb, ohne selbst recht zu wissen, was er tat: »Lebe wohl« auf das Blatt. Darauf ging er fort.

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