Читать книгу Auf nach Wien. Kulturhistorische Streifzüge онлайн

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Dass es ausgerechnet diese Meldung in den Chronikteil einer Tageszeitung geschafft hatte, ist wohl nicht nur der hygienischen Übertretung geschuldet. Es war die Verunreinigung einer der köstlichsten Leibspeisen der Wiener, die die Empörung vervielfachte, galt doch der Apfelstrudel in besonderem Maße als Inbegriff einer Wiener »Schmauserei«. In der sich im Lauf des 19. Jahrhunderts herausbildenden, multinational und bürgerlich geprägten »Wiener Küche« spielte er eine zentrale Rolle und degradierte die anderen Mehlspeisen beinahe zu Statisten. So war nicht nur der renommierte Feuilletonist Paul Busson der Meinung, dass insbesondere an Sonntagen »der ausgezogene Apfelstrudel den Weihetag verherrlicht«. Zweifellos gehörte er zu den herausragenden »Pointen der Wiener Küche«, wie Habs und Rosner in ihrem vielgerühmten »Appetit-Lexikon« über Mehlspeisen vermerkten.

Und dann das: Ameisen und Apfelstrudel – ein größerer Gegensatz lässt sich wohl in der als »Stadt der Phäaken« apostrophierten Donaumetropole schwer denken. Längst waren die Leidenschaft für das Genießen und eine damit verbundene spezifische »Geschmackslandschaft« zum Markenzeichen Wiens geworden, ein vielschichtiger und spannender Prozess, den der Kulturwissenschaftler Lutz Musner in einer Studie eingehend darlegte. Spätestens seit »Wien um 1900« avancierte der Apfelstrudel neben der Sachertorte und dem Wiener Schnitzel zum fixen Bestandteil jener kulinarischen Trinität, die das Eigen- und Fremdbild der Stadt bis heute bestimmt.

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