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Um 22.25 ist er im Salonwagen angekommen, auf Perron 1. Vom frei zugänglichen Perron 2 aus, wo sich im Moment der Ankunft keine Polizei befand, hätte man ohne Schwierigkeit ein Attentat unternehmen können, um so mehr, als die ganze Bahnhofbeleuchtung gerade rechtzeitig aussetzte. Welche Schande für Fribourg wäre das gewesen: ein toter Papst auf Perron 1. Die Regierung des Kts. Fribourg, die ihn begrüsst hatte, wird begrüsst. Der Papst spricht ein leidliches Franzesisch mit einem hart rollenden r, auch sein Deutsch ist passabel, er pflegt auf polnische Art das ö durch ein e zu ersetzen: Erlese uns von dem Besen. Italienisch soll er auch kennen, dazu etwas Englisch und Lateinisch. Unter den Begrüssenden war Regierungsrat Marius Cottier, der begabte Mirage-Pilot. Er ist Chef der Erziehungsdirektion, und als Cottiers hervorstechendste Eigenschaft wurde von seiner Partei (cvp) während der Wahlkampagne die Tatsache erwähnt, dass er Mirage-Pilot gewesen sei. Ein bekannter Christ und Familienvater. Er hat mit mir in Fribourg studiert, war, wie ich, in einem philosophisch-theologischen Club, den Hans-Urs von Balthasar inspirierte. Was für eine liebe Schlafmütze ist Marius doch immer gewesen! Überall während dieser Reportage die Hände meiner ehemaligen Gschpänli, Regierungsratshände, die von Wiederkehr in Kloten, die von Cottier in Fribourg: die haben Anrecht auf eine Knetung durch den Papst. Nachdem die Regierung begrüsst war, winkte der Heilige Vater oder très Saint Père, wie sie in Fribourg sagten, vom erhöhten Perron 1, eingerahmt durch die Inschriften LA GENEVOISE ASSURANCE und BUFFET PREMIERE CLASSE, dem Volk zu und formte seine Hände zu einem Trichter und rief dem Volk etwas zu, während einige ultramontane Schreihälse immer wieder HALLELUJAH! HALLELUJAH! krähten. Dann preschte die stattliche Wagenkolonne hinauf ins stacheldrahtgeschützte, von Hund und Mann und Funk bewachte, verbunkerte, hochsicherheitstraktmässig geschützte Priesterseminar; wo der Stellvertreter Christi – wieviel Polizei hatte der Religionsgründer bei seinem Einzug in Jerusalem gebraucht? – neuen Händeschüttelungen ausgesetzt und dann nach der Einnahme eines leichten Abendmahls (Fondue Moitié Vacherin, Moitié Gruyère) und dem Aufsagen des kirchlichen Nachtgebets TE LUCIS ANTE TERMINUM/RERUM CREATOR POSCIMUS und der Verabfolgung eines Bruderkusses durch den vampirhaft dreinschauenden Bischof Mamie in den kurz bemessenen Schlaf sank. (Die letzen Worte von Bischof Mamie am Abend des 12. Juni waren: Dormez bien, très Saint Père; die letzten Worte des Papstes: Et vous aussi, cher frère, et soyez prudent avec votre Saugtherapie.)

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