Читать книгу Wenn Sie kein Feigling sind, Herr Pfarrer. Werner Kriesi hilft sterben онлайн

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Werner Kriesi erzählt

Andelka. Eine junge Mutter mit Krebs

Neben dem Hauseingang finde ich fünf Klingelknöpfe, alle in kaum leserlicher Handschrift angeschrieben. Eine dunkle, verwinkelte Treppe führt hinauf zur Wohnung. Hier wohnen Ausländer, die in der Schweiz Arbeit gefunden haben. Der Ehemann Andelkas bittet mich freundlich hinein. Einfache, gepflegte Zimmer mit ringsherum großen Fenstern. Ein etwa dreijähriges Mädchen fährt in forschem Tempo mit einem Dreirad vom Gang in die Stube, rings um den Stubentisch, wieder in den Gang zurück und so mit Vergnügen hin und her. Die junge Mutter kommt am Stock in die Stube. Wir begrüßen uns.

Gestern Abend sprachen wir am Telefon das erste Mal miteinander, heute fühlen wir uns einander bereits vertraut. Andelkas Muttersprache ist Kroatisch, sie versteht alles, was ich sage. Doch ihr Deutsch ist gebrochen, und ich muss oft nachfragen. Mit größter Mühe versucht sie sich zu beherrschen, da sie wohl vor mir nicht weinen will. Sie leidet an einem unheilbaren Osteosarkom, an Knochenkrebs, der vor einem Dreivier­teljahr diagnostiziert wurde. Metastasen in den Lungen führen inzwischen zu schwerer Atemnot. Der Onkologe hat schon zum dritten Mal eine Chemotherapie verordnet. Nicht zur Heilung, sondern als palliative Maßnahme, die im besten Falle zu einer Atemerleichterung führen kann.

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