Читать книгу Wenn Sie kein Feigling sind, Herr Pfarrer. Werner Kriesi hilft sterben онлайн
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Das Verbot, sich selbst zu töten, ist nur dann aufgehoben, wenn Gott den geheimen Befehl dazu gibt. Was offenbar nur selten passiert. Bei der Tötung eines anderen Menschen gibt Thomas mehr Spielraum. Gefragt, ob jemand töten darf, wenn er sich selbst verteidigen muss, antwortet er mit Ja. Denn hier sei die Absicht – die Rettung des eigenen Lebens – entscheidend und nicht, dass als Folge davon der Angreifer sein Leben verliere. Denn jeder Mensch sei, so Thomas, verpflichtet, für sein eigenes Leben mehr zu sorgen als für das eines anderen. Wird er also angegriffen, dann darf er auf Gewalt mit Gewalt reagieren, selbst wenn er den anderen dabei tötet. Entscheidend ist, dass er den Tod des anderen nicht beabsichtigt, sondern nur in Kauf nimmt.
Das klingt spitzfindig, spielt jedoch unter der Bezeichnung «Doppelwirkung» – eine Absicht, zwei Wirkungen – bei der Rechtfertigung moralischer Entscheidungen um Leben und Tod noch immer eine wichtige Rolle: Der Mediziner darf eine Sedierung mit der Absicht verabreichen, Schmerzen zu lindern. Wenn diese außerdem den Tod beschleunigt, dann wird dies moralisch nicht beanstandet, denn auch wenn diese zusätzliche Wirkung vorhersehbar ist, so liegt sie nicht in der Absicht. In der Schweizer Rechtsprechung wird es so ausgedrückt, dass der Tod nicht vorsätzlich herbeigeführt wird.