Читать книгу Nach Amerika. Lebensberichte von Schweizer Auswanderern онлайн

41 страница из 76

Auswandern war für mich eigentlich nie ein Thema. Die Weltbank war es, die mich nach Amerika führte. Wir zogen vor 46 Jahren mit der Absicht nach Washington, drei, vier Jahre zu bleiben, um praktische Erfahrung zu sammeln. Wir kamen nicht als Auswanderer, sondern mit internationalem Beamtenstatus und UNO-Pass.

Über Amerika hatte ich daheim als Kind gehört; nicht viel zwar, aber auf den Fotos sahen meine Eltern als Paar in New York sehr glücklich aus: Vater wollte nach seinem Ökonomiestudium in Oxford in die USA; im Juli 1922 reiste er mit dem Schiff nach New York, landete in Ellis Island und fuhr mit dem Zug nach Connecticut weiter. Damals war es für einen Mann einfach, auszuwandern; Mutter folgte ihm im Januar 1923 nach. Vater hatte sie während der Schulzeit an der Kantonsschule in Frauenfeld kennengelernt. Sie gehörte zu den ersten Mädchen, die in Frauenfeld die Matura gemacht hatten. Eigentlich wollte sie Medizin studieren. Aber als Kind einer Scheidungsfamilie mit strenger Stiefmutter wurde ihr das verwehrt. Stattdessen folgte sie ihrer grossen Jugendliebe nach New York, wurde aber auf Ellis Island unerwartet gestoppt. Es hiess, eine kaum zwanzigjährige, alleinstehende Frau dürfe nicht ohne männliche Begleitung einreisen. Eine Heirat war für sie der einzige Ausweg, amerikanischen Boden zu betreten. Mein Vater holte seine Braut am Hafen ab und schon am 18. Januar 1923 heirateten die beiden in New York. Obwohl anders geplant, blieben sie nicht lange in den USA. Aus der Schweiz kam nach wenigen Monaten die Depesche, Grossvater Bachmann, der Unternehmer in Frauenfeld, sei schwer krank. Grossmutter hatte Panik und wollte, dass ihr Ältester sofort heimkehre. Meine Eltern hatten wenig Lust, ihre Koffer schon wieder zu packen und das faszinierende Land Amerika zu verlassen. Sie nahmen das langsamstmögliche Schiff nach Europa, fuhren durchs ganze Mittelmeer runter bis nach Konstantinopel und kehrten schliesslich über den Balkan in die Schweiz zurück. Im Sommer 1924 waren sie retour, und Grossvater starb kurz darauf. Dass meine Eltern unter anderen Umständen definitiv in den USA geblieben wären, glaube ich allerdings nicht. Vater wollte als Nationalökonom Auslanderfahrungen sammeln – und Amerika bot ihm diese Chance.

Правообладателям