Читать книгу Haus der Nonna. Aus einer Kindheit im Tessin онлайн

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Die Nonna war die Mutter meines Vaters, und sie wurde für ein paar wichtige Jahre auch zu meiner ei­genen. Meine andere Mutter hatte eben ihr drittes Mädchen geboren. Einige Jahre zuvor war sie aus Niederösterreich in die Schweiz gekommen, als Schneiderin, und hatte in Zürich meinen Vater kennengelernt. Sie verstand kein Italienisch, er fast kein Schriftdeutsch. Nun litt sie dauernd an Kopfweh. Sie war ängstlich besorgt und hilflos und nie recht glücklich. Um sie vorübergehend zu entlasten, wurde ich ins Tessin gebracht.

Im Frühjahr 1939, am Ostersamstagmorgen, fuhren wir in Zürich weg, Papà und ich. Sicher trug er damals schon seine dunkelroten, stark glänzenden Schuhe und den sandfarbenen Anzug. Ich habe ihn auch bei späteren Bahnfahrten und an Sonntagen in Zürich nie anders gesehen. Bevor er sich auf die hölzerne Bank setzte, wischte er den Sitzplatz ab, obwohl das nicht nötig war. Dann fragte er mich: «Hast du die Fahrkarte noch?» Ja, ich hielt sie in der Hand, ich spürte ihre Kanten. Oder ich hatte sie neben das frische Taschentuch ins rote Wachstuchtäschchen gesteckt und presste jetzt die Hand über den Bügelverschluss. Papà öffnete seine Zeitung, den Giornale del Popolo, und begann zu lesen. Was ich auf dieser frühen Bahnfahrt erlebte, weiss ich im Einzelnen nicht mehr. Jüngere Bilder haben sich vor die alten gestellt und sich auch mit ihnen vermischt. Aus den verschiedenen Fahrten ist längst eine einzige Fahrt geworden. Wenn ich später, bei Beginn der Schulferien, in diesem Zug sass, entdeckte ich kaum ein neues Landschaftsgesicht; überall war es ein Wiedererkennen.

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