Читать книгу In der Fremde sprechen die Bäume arabisch. Roman онлайн
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Im Irak war ich nie im Wald. Die Bilder von Bäumen und Wäldern in meinem Kopf stammen aus Geschichten, die mir meine Großmutter erzählte. Ich wuchs in Städten auf, in denen nur wenig Grünflächen anzutreffen sind. Abgesehen von privaten Gärten sieht man Bäume nur auf den Feldern außerhalb der Stadt.
Unsere einheimischen Bäume, die Dattel-, Oliven-, Granatapfel- und Zitronenbäume, werden von Menschenhand gepflanzt und gepflegt. Bäume in freier Natur wachsen anders, das hatte meine Professorin, die uns damals in moderner arabischer Lyrik unterrichtete, immer wieder betont. Ihre Liebe zur Natur und zu Bäumen war so leidenschaftlich wie die für kurze Texte. Sie war körperlich und geistig fit, und wenn sie von Poeten und Dichtern sprach, war sie sich ihrer Sache so sicher, als hätte sie täglich Umgang mit ihnen.
«Die schönsten Verse der Poesie sind jene, die die Natur widerspiegeln, und ein gutes Gedicht muss man auswendig gelernt haben, um seine Seele lebendig zu halten», sagte sie.
Ihr Einfluss auf die Klasse war groß, viele Studenten waren in sie verliebt, mich eingeschlossen. Sie war schön, offen, liberal, ledig und hatte eine starke Persönlichkeit. Vor so einer Persönlichkeit hatten viele irakische Männer nicht nur Respekt, sondern waren ihr gegenüber sogar achtsam. Bei den Professoren war sie unbeliebt mit ihrem Selbstbewusstsein, starke Frauen sieht man in unserer Gesellschaft, egal in welcher Schicht, nicht gern, man hat lieber schwache, die ohne Mann nicht zurechtkommen. Der Krieg hat die Position der Frau zusätzlich geschwächt und ihr weitere Freiheiten genommen.