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Die Begnadigungskommission habe jeweils knapp einen Tag gebraucht für die Beurteilung der einzelnen Fälle, ab 9 Uhr morgens konnten sie die Akten einsehen, die Sitzung war dann um 4 Uhr nachmittags. Sie hätten die Akten aber oft kaum mehr richtig studiert, weil sie sich sagten: Wir müssen kein Urteil fällen, sondern nur begnadigen oder nicht.
Da die Grossrichter ihre Sache immer sehr ernst nahmen und man sich auf ihre Urteile verlassen konnte, sagt Pfenninger, war die Arbeit der Begnadigungskommission dadurch sehr erleichtert. Während der sehr kurzen Sitzungen im militärisch bewachten Zimmer 3 sei die Diskussion kaum benützt worden, der Präsident habe jeweils referiert und die Begnadigung immer abgelehnt, und dann hätten sie sich immer fast einstimmig seinen Ausführungen angeschlossen. Manche hätten Skrupel gehabt, zum Beispiel er selbst und auch Nationalrat Killer, weil sie vor dem Krieg noch Vorträge gegen die Todesstrafe gehalten hätten, aber die harte Zeit habe einfach ein Umdenken verlangt, es wäre noch viel mehr Landesverrat vorgekommen ohne diese Abschreckung. Weshalb soll die Todesstrafe im Krieg eine abschreckende Wirkung haben, wenn sie die im Frieden nicht hat? Darauf kann Pfenninger auch nicht antworten, und er räumt schliesslich ein, dass es mehr um die Vernichtung des räudigen Schafes, um den radikalen Familienausschluss und um Rache gehe als um Abschreckung. Man habe einfach eine verdammte Wut gehabt gegen diese Verräter, die den aufopferungsvollen Wehrmännern quasi in den Rücken schossen. Gewiss, von einer bestimmten gesellschaftlichen Stufe an aufwärts nenne man dieselbe Handlungsweise nicht mehr Landesverrat, sondern Politik, zum Beispiel der Anpassung der Schweiz ans Dritte Reich, aber diese Überlegungen habe man damals viel zu wenig angestellt. Und er gebe ja zu, dass die öffentlich verlesene Anpassungsrede des Bundesrates Pilet-Golaz die Demokratie viel gründlicher unterwandert habe als ein heimlich begangener Verrat. Aber Pilet-Golaz sei eben juristisch nicht zu erfassen gewesen.