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Man hat ein bisschen übersehen, dass die bedeutenden Historiker immer auch brillante Stilisten waren, Toynbee, Mommsen, Michelet, und dass sie eine politische Massenwirkung hatten. Das waren keineswegs «unvoreingenommene» (Bonjour) Wissenschaftler, sondern tendenziöse Kämpfernaturen, welche von ihrer Leidenschaft aufgefressen wurden. Sie würden heute, weil sie Massenwirkung anstrebten, eine Geschichtsschreibung auch durch Film und Radio versuchen, welche laut Bonjour «heikel» ist. Heikel, jawohl! Man kommt nämlich unter die Leute damit und muss sich der öffentlichen Debatte stellen, es gibt ein «Feedback» und vielleicht auch einen Streit. Historisch exakt kann man trotzdem sein, man muss es sogar ganz besonders. Was öffentlich von vielen kontrolliert werden kann, ist zu einer grösseren Exaktheit gezwungen, muss härter und umfassender recherchiert sein als die heimlichen Seminararbeiten im Spezialistenghetto.

Eine solche Geschichtsschreibung, ob durch Buch, Radio oder Film, kann nicht auf mündliche Quellen verzichten, welche Bonjour «problematisch» findet. (Sind es die lückenhaften, manipulierten, zum Teil gesperrten schriftlichen Quellen etwa nicht auch?) Wer nämlich Sozialgeschichte erhellen will, der hat mit anderen Leuten zu tun, als ein Historiker der Aussenpolitik, welcher bei abgebrüht-routinierten Diplomaten und Politikern seine Auskünfte holt, die je nach politischer Konjunktur verschieden tönen können.

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