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Ein weiteres Beispiel, um bei Ernst S. zu bleiben: Im Bericht des Psychiaters Hans-Oscar Pfister heisst es von der Familie S., sie habe «einen Hang zum Vagantentum» gezeigt. Die Geschwister des Hingerichteten wechselten nämlich alle paar Monate die Stelle. Diese Tatsache ist in den Akten unbestritten. Wenn man sich nun auf die Socken macht und mit den überlebenden Brüdern spricht, so bestätigt sich auch mündlich, dass tatsächlich ein häufiger Stellenwechsel vorkam. Aber man erfährt dann auch, weshalb: In den dreissiger Jahren konnte manche Fabrik nur Saisonarbeit offerieren, und die Geschwister S. mussten die Stelle wechseln. Von psychologisch motiviertem «Vagantentum» keine Rede.

Was die Arbeitsbedingungen in jenen Fabriken betrifft, so steht zum Beispiel in keinem Jahresbericht der Färberei Sitterthal, wieviel die Arbeiter verdienten, in welchen Verhältnissen punkto Hygiene sie gehalten wurden; kein Wort auch über die Unterdrückung der Gewerkschaften. All das ist nur aus mündlichen Zeugnissen erfahrbar. Und man kann sich darauf verlassen, dass die meisten Arbeiter die Hungerlöhne auf den Rappen genau im Gedächtnis behalten haben. (Wogegen die Direktoren davon, wie zufällig, nichts mehr wissen.)

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