Читать книгу SPACE 2022. Das aktuelle Raumfahrtjahr mit Chronik 2021 онлайн
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Akiyama, komplett unsportlich und obendrein ein starker Raucher, der vier Packungen Zigaretten täglich konsumierte, litt schon während des Trainings erheblich an der Sache. Zu diesem Zeitpunkt mag er auch noch gehofft haben, dass Ryoko Kikuchi für die Mission nominiert würde, und die Chancen waren für sie auch nicht schlecht. Doch dann erlitt sie kurz vor dem Flug einen Blinddarm-Durchbruch und Akiyama verblieb als einziger Kandidat. Schließlich startete er am 2. Dezember 1990 zusammen mit Victor Afanasjew und Mussa Manarow in Sojus TM-11 und es war ein persönliches Desaster für ihn. Wohl kaum ein Mensch davor (der US-Senator Jake Garn mag hier die Ausnahme sein) und keiner danach litt so sehr unter der Raumkrankheit wie er. Das hatte auch erheblichen Einfluss auf seine Performance als Berichterstatter. Er sollte täglich in jeweils einer Fernsehsendung und zwei Rundfunkübertragungen aus dem Weltraum berichten, war aber so gehandicapped, dass ihm das nur unzureichend gelang. Manche seiner banalen (Ich sehe jetzt hier grade aus dem Fenster raus) oder skurillen Kommentare (Dicke japanische Frösche im Weltraum lieben die Schwerelosigkeit. Dünne japanische Frösche benehmen sich, als wären sie lieber in Yokohama) hatten seinerzeit einen gewissen Kultstatus. Andere würden in unserer eher humorlosen Zeit als politisch unkorrekt gebrandmarkt werden (Ich kann’s nicht erwarten, wenn ich endlich wieder eine rauchen kann). Insgesamt ließ das Publikumsinteresse gegen Halbzeit seiner knapp achttägigen Mission deutlich nach, und die Quoten des Senders waren ab da kaum besser als vor dem Flug von Akiyama. Am Ende stellte sich die Sache für TBC als finanzieller Flop dar. Man sprach von einem Minus von 7,4 Millionen Dollar, welches das Unternehmen mit dem Projekt machte. Aber immerhin: der erste kommerzielle bemannte Raumflug war Geschichte. Und mit Akiyama war gleichzeitig der erste Japaner in den Weltraum geflogen. In den Jahren danach wurde immer wieder über den tatsächlichen Status von Akiyama diskutiert. War er nun ein „Weltraum-Tourist“ oder eher der erste Weltraum-Geschäftsreisende? Einen ähnlichen Sonderstatus wie Akiyama bekam auch ein halbes Jahr später Helen Sharman, die erste Britin im Weltraum. Für ihren Flug war das „Projekt Juno“ ins Leben gerufen worden. Ihr Flug wurde zum Teil durch ein Konsortium britischer Firmen finanziert. Den anderen Teil bezahlte seinerzeit die Sowjetunion. Sharman, die einen Doktortitel in Chemie hatte, wickelte allerdings bei ihrer Mission ein volles Forschungsprogramm ab. Sie war im besten Sinne als professionelle Kosmonautin unterwegs, aber nachdem sie nicht einem institutionellen Astronautencorps angehörte, wird sie heute eher als „Spaceflight Participant“ tituliert, also als „Teilnehmerin an einem Raumflug“. Im Übrigen war sie zum Zeitpunkt ihres Fluges noch keine 28 Jahre alt, und damit einer der jüngsten Menschen, die je in den Orbit flogen.