Читать книгу Sittes Welt. Willi Sitte: Die Retrospektive онлайн

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Dieser neuen Aufgeschlossenheit stehen aber leider nach wie vor Lethargie, Desinteresse und bisweilen wohl auch Geschichtsvergessenheit der universitären Kunstgeschichte gegenüber. Selbst in ihren ostdeutschen Instituten hat diese seit den 1990er Jahren einen großen Bogen um das Generalthema gemacht. Das zeitigte fatale Auswirkungen – zum einen auf die akademischen Lehrinhalte, in denen ostdeutsche Kunst bis heute zumeist nur als Fußnote auftaucht, und zum anderen auf die Wissensbestände von mittlerweile zwei Generationen von Absolventen, die in Museen, Galerien und Kulturförderinstitutionen arbeiten. Um es klar zu sagen: Mit wenigen Ausnahmen, etwa an einzelnen Lehrstühlen in Leipzig und Marburg,12 muss hier geradezu von einer umfassenden Ausblendung der ostdeutschen Nachkriegskunstgeschichte gesprochen werden.

Die Gründe für diesen Offenbarungseid sind vielfältig. Wesentlich erscheint mir hierbei der Umstand, dass, unterstützt von der Wissenschaftspolitik der neuen Bundesländer in den 1990er Jahren, nahezu alle Kunstgeschichtsprofessuren in den ostdeutschen Universitäten mit westdeutschen Wissenschaftlern besetzt wurden. Diese konnten weder auf einen lebensweltlichen Bezug zur jüngeren lokal-regionalen Kunstgeschichte vertrauen, noch entwickelten sie ein gesteigertes wissenschaftliches Interesse an der Bearbeitung dieser Desiderate. Überhaupt war mit Forschungsanträgen zur Kunstentwicklung in der DDR in der deutschen Wissenschaftsförderung kein Blumentopf zu gewinnen. Mancher Doktorand erhielt von seinem Professor hinter der Hand den wohlgemeinten Hinweis, dass es für sein Fortkommen wohl besser wäre, wenn er sich von der Idee verabschiedete, über diesen Themenbereich zu arbeiten. Diese wohlmeinenden Ratschläge beruhten auf der Erfahrung, dass es für diese Projekte kaum möglich war, Drittmittel in den notwendigen Budgetgrößen zu generieren.13 Auf diese Weise reproduzierten sich die Missverhältnisse in exponentieller Form und trugen zur Deklassierung und Marginalisierung der ostdeutschen Kunst und ihrer Künstler bei.

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