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Ein zeichnender Autodidakt und Akademiker liebt das Grau in Grau der Moderne

Für die mit dem Streit um den Formalismus verbundenen Auseinandersetzungen in den 1950er und 1960er Jahren war Sittes unfreiwilliger Status als Autodidakt ein folgenreiches Handicap. Das war ihm immer bewusst und wurde von ihm auch in jedem Interview reflektiert: „Ich bin von Grund auf Autodidakt gewesen. Ich hatte niemand. Ich hatte keine richtigen Professoren, die mir das hätten beibringen können.“8 Als Ausgleich führte er immer wieder seine eigentlichen Lehrmeister, die Reproduktionen von Werken Dürers, Raffaels, Schnorrs von Carolsfeld, Rethels und des aus Sittes Geburtsort Kratzau stammenden Nazareners Joseph von Führich in den Knackfuß-Monografien an.

Seine faktische Nichtausbildung als Künstler begann mit dem Training zum Musterzeichner für die nordböhmische Textilindustrie.9 Ein Textilfabrikant schickte den begabten 18-Jährigen 1940 an die Hermann-Göring-Meisterschule für Malerei in Kronenburg/Eifel, die von 1936 bis 1945 von Werner Peiner (1897–1984) geleitet wurde. Sitte fand hier ein streng hierarchisch aufgebautes Werkstattverhältnis vor ssss1. Die Studenten wurden in Lehrlinge, Gesellen und Meister eingeteilt. Der „führende Meister“ Peiner entwickelte die künstlerischen Konzepte, die von den Lehrlingen und Gesellen auszuführen waren.10 Eine Erziehung zu individueller Kreativität oder intellektueller Unabhängigkeit fand unter diesen Umständen nicht statt. Als „Spezialist für Figur und Faltenwurf“ zeichnete Sitte die Kartons nach Skizzen von Peiner, die in die Originalgröße übersetzt werden mussten. „Unterricht gab es kaum, es war auch niemand da, der uns das Malen hätte beibringen können. Das nannte sich Hochschule, aber wir wurden nur ausgebeutet und haben nichts gelernt.“11 Nebenbei entstanden 1940 Zeichnungen im Duktus der Donauschule nach Altdorfer, wie z. B. Kronenburg (Unterburg) in Sepia und Feder auf grundiertem Papier ssss1. Trotz der drohenden Rekrutierung zur Wehrmacht, vor der ihn die Schule einstweilen bewahrte, beteiligte sich Sitte an einem Protestschreiben gegen die fehlenden Ausbildungsmöglichkeiten an der Schule. Daraufhin wurde er nach einem Jahr Aufenthalt zum Wehrdienst eingezogen und musste am Russlandfeldzug teilnehmen. Er wurde verwundet, war lange Zeit zur Genesung in Lazaretten oder zuhause in Kratzau, wurde 1944 nach Italien versetzt, desertierte im April 1945 und schloss sich einer Gruppe italienischer Partisanen an. Aus der Enge seiner Herkunft, die für ihn zunächst nur das Zeichnen von Kartons für die Textilindustrie vorsah, wurde er durch den Krieg herauskatapultiert und landete in einer fernen, ihm fremden Welt in Montecchio-Maggiore bei Vicenza in der norditalienischen Po-Ebene. Es haben sich einige arkadische Landschaftszeichnungen von der Stradella S. Bastiano – Villa Valmarana und dem Privatpark des Grafen Valmarana (beide 1945) im Stil des 18. Jahrhunderts erhalten.12 Von einer seiner Gastfamilien in Montecchio-Maggiore, den Giuliaris, zeichnete er im Stil der Frühromantiker, etwa eines Carl Philipp Fohr (1795–1818), mit einem Silberstift die hauchfeinen Porträts von Sandro Poli und Margharita Giuliari ssss1 und die kleine Tochter Paola Poli in strenger Profilansicht.13

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