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Sitte bekannte, dass seine akademische Zeichenroutine ihn lange daran gehindert habe, eigene Emotionen in seine Malerei zu übersetzen. Vom italienischen Realismo und vor allem von Gabriele Mucchi, der in Ost-Berlin bis 1962 lehrte, konnte er lernen, „starke Empfindungen und dramatische Situationen ausdrucksvoll darzustellen […]. Wir sind nicht kalte Chronisten einer gleichgültigen Geschichte.“66

Mit hoher Wahrscheinlichkeit ermutigte Sitte die Begegnung mit der Wahrhaftigkeit und bedingungslosen Aufrichtigkeit der italienischen Maler der Realismo-Bewegung mit ihrem politischen Engagement jenseits von Dogmatismus dazu, sein eigenes künstlerisches Vokabular für die Auseinandersetzung mit dem Massaker in Lidice ab 195667 und mit seinen persönlichen Erfahrungen an der Ostfront im Zweiten Weltkrieg zu entwickeln, die ihren Niederschlag in den beiden Stalingrad-Bildern gefunden haben.68 Sein Diptychon mit Predella Memento Stalingrad (1961, ssss1) nahm Fritz Cremer (1906–1993) in seine Ausstellung Junge Künstler – Malerei auf, die am 15. September 1961 – einen Monat nach dem Mauerbau – in der Deutschen Akademie der Künste eröffnet wurde. Cremer sah offensichtlich in dem schon Vierzigjährigen nach den Angriffen auf die Lidice-Bilder immer noch ein Nachwuchstalent, das seinen Weg in die Öffentlichkeit finden sollte. Er zeigte ihn zusammen mit Autodidakten wie Ralf Winkler (alias A. R. Penck, 1939–2017), Peter Graf (* 1937) und Peter Hermann (* 1937) aus Dresden, während Alfred Kurella (1895–1975) dafür gesorgt hatte, dass die jungen Leipziger Künstler nicht teilnehmen durften.

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