Читать книгу Gesundheit - Begriff, Phänomen, Konstrukt. Theologisch-praktische Quartalschrift 1/2022 онлайн

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Gibt es denn nichts Intaktes in unserem menschlichen Wesen, das nicht krank werden kann? Warum glauben manche Menschen kaum an Heilung und andere wiederum tun alles nur Mögliche, auch in den aussichtslosesten Situationen, um wieder gesund zu werden – das womöglich mit einer Lebenseinstellung, die Bewunderung hervorruft? Viktor E. Frankl behauptet, dass der Mensch nicht nur über eine seelische und körperliche Dimension seines Mensch-Seins verfügt, sondern auch über eine geistige Dimension, die eben nicht erkrankt, jedoch durch psychische und physische Krankheiten eingeschränkt werden kann: „[…] in Wirklichkeit ist der Mensch zwar eine leiblich-seelische Einheit, aber diese Einheit macht noch nicht den Menschen, macht nicht dessen Ganzheit aus, sondern zu ihr, zur wahren Ganzheit, gehört eben das Geistige wesentlich mit dazu.“1 Die geistige Dimension des Menschen macht es möglich, dass er, anders als Tiere, Triebe nicht abreagiert, auf Reize nicht nur reagiert, sondern in die Welt auch hineinagiert. Die geistige (noetische) Dimension des Menschen ist ein spezifisch menschliches Phänomen; sie zeigt sich in der Sinnstrebigkeit und in seiner Verantwortlichkeit sowie in seiner Fähigkeit, zu den Gegebenheiten Stellung zu nehmen. Aus dieser Überzeugung heraus gründete Frankl die erste sogenannte sinnorientierte Psychotherapie, die Logotherapie und Existenzanalyse als ihre philosophische und anthropologische Fundierung. In seinem sinnorientierten Konzept hat der Sinn im Leben des Menschen Heilungskraft und trägt dazu bei, dass auch der leidende Mensch ein qualitativ gutes Leben führen kann, trotz widrigster Umstände. Dieser Beitrag lädt in einem ersten Schritt dazu ein, die Logotherapie und die Existenzanalyse als sinnzentrierte Therapie kennenzulernen und dabei die Heilkraft des Sinnes zu entdecken. In einem zweiten Schritt werden mit fünf Thesen zur Person nach Frankl einige Anhaltspunkte für die kirchliche Praxis aufgegriffen und damit Anwendungsmöglichkeiten für dieselbe zum Wohl des Menschen vorgeschlagen.

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