Читать книгу Das materialgestützte Schreiben aus literaturdidaktischer Perspektive. Geschichte – empirische Untersuchungen – Unterrichtspraxis онлайн

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Neben der Rede wurde auch die Briefform im Unterricht praktiziert, die ebenso einem festen Aufbau zu folgen hatte. Auch sie enthielt explizit einen Grund des Schreibens und damit eine Intention. Demnach kann man in diesem Kontext durchaus von einer kommunikativen Struktur und einem Adressatenbezug, d.h. einem appellativen Charakter, sprechen. Es gibt übrigens keine Hinweise dafür, dass das Verfassen von Briefen auf die unteren Jahrgänge beschränkt war, wie es heutzutage der Fall ist. So werden derzeitig Briefe in der Regel nur in den Klassenstufe 5/6 verfasst, der anspruchsvolle Charakter dieser Aufsatzform ist im aktuellen Deutschunterricht aus dem Blick geraten.13 Neben dem Verfassen von Reden und Briefen waren Gedichte die dritte Textsorte, mit der sich Schüler beschäftigten. Hier ging es weniger um die Darstellung von Empfindungen, denn um eine Erhöhung der Eloquenz, d.h. um die Ausprägung des eigenen Stils.

Ein weiterer Aspekt, der für das materialgestützte Schreiben relevant ist, fokussiert auf die Frage, wie Schüler:innen zu dem Wissen gelangen, das sie befähigt, über bestimmte Themen domänenspezifisch zu schreiben. Verbindlich kanonisierte Literaturlisten stellen eine Möglichkeit dar. Wird in den BS AHR der propädeutische Charakter, der zur Partizipation an Beruf und Studium befähigen soll, betont, dann müssen die inhaltlichen Voraussetzungen geklärt werden, um eine differenzierte Argumentation vorzunehmen zu können. Die Präsentation von Materialien im Rahmen des materialgestützten Schreibens stellt eine Realisierungsmöglichkeit dar. Wie aber gestaltete sich für Weise der Erwerb des Wissens und die Bereitstellung von Hintergrundinformationen im Rahmen der Textproduktion und des Verfassens einer Rede? Interessant in diesem Zusammenhang ist, die Themen in den Blick zu nehmen, zu denen Reden gehalten wurden. Nagel führt folgende Fächer bzw. Oberthemen an, die er nach der Reihenfolge ihrer Häufigkeit ordnet: „1. Geschichte, 2. Moral und Ethik, 3. schulische Tugenden und didaktische Fragen, 4. Philosophie, 5. Theologie, Religion und Kirchengeschichte, Gelegenheitsreden, Genealogie, Politik“14. Auffällig ist, dass kein genuin literarisches Themenfeld angeführt wird. Damit gleicht das Vorgehen deutlich stärker dem Verfassen einer Erörterung, das sich in der Mittelstufe auf allgemeine Fragen aus der Lebenswelt der Schüler:innen bezieht. Die Domänenspezifik beim materialgestützten Schreiben, die in der Oberstufe das Aufgabenformat bestimmt, dürfte sicherlich auch eine Rolle dabei spielen, dass es den Schülerinnen und Schülern schwerfällt, sich zu positionieren.15

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