Читать книгу Corona im Kontext: Zur Literaturgeschichte der Pandemie онлайн

20 страница из 34

Auch an diesen kapitalismuskritischen Strang moderner Epidemieliteratur knüpft der Diskurs zur Corona-Pandemie an: „Corona-Kapitalismus“ wie „Corona-Nationalismus“ analysiert Bertz (Ed. 2021), während die Initiative ZeroCovid den „kapitalistischen Seuchenstaat“ attackiert (Klein 2021). Dergleichen Reflexionen weisen weit zurück in der Literaturgeschichte: Boccaccio, der seinen Epidemieflüchtlingen einen luxuriösen Landsitz bietet, geistert durch Žižeks Plädoyer für einen neuen Krisenkommunismus (2020: 77). Defoe (1995) schildert, wie im Pestjahr 1665 „the richer sort of people“ eilig London verlässt, ungeachtet der „unhappy condition of those that would be left in it“; zugleich meditiert sein Erzähler über die egalitäre Dimension der Seuche, die „poor and rich“ Seite an Seite „into the common grave of mankind“ schickt.

„… the plague is timeless“? Pandemieliteratur zwischen Mythos und Medizin

„Yes the plague is timeless […]“ (Salcedo 2020: 147): Historisch deckt eine generische „PLAGUE“ (Shelley 2006) ein breites epidemisches Spektrum ab. Weder bei der Pest von Athen, die Thukydides im zweiten Buch seines zu Ende des 5. Jahrhunderts v. Chr. verfassten Peloponnesischen Krieges schildert, noch bei der Antoninischen Pest, die das Römische Reich in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts n. Chr. heimsucht, dürfte es sich um die Pest stricto sensu gehandelt haben; auch die mittelalterliche „pestilenza“ umfasst wahrscheinlich sehr unterschiedliche Krankheiten (Eco 1975: 282). Über diesen polyvalenten Begriff wird eine lange Tradition aktualisiert, die die Funktion von Literatur als Archiv auch der Wissens- und Wissenschaftsgeschichte illustriert.


Правообладателям