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Student in Mailand

Das Studium in Mailand begann Wackernell zusammen mit seinem Spezi aus Schul- und Kriegszeiten, Bernhard Höllrigl. Die beiden Jungen bezogen eine Privatwohnung. Bereits im ersten Studienjahr legte sich Wackernell dermaßen ins Zeug, dass er Anrecht auf ein Begabtenstipendium erhielt. Das inkludierte einen kostenlosen Heimplatz in der Casa dello Studente, wo der junge Meraner den Rest der Studienzeit zubrachte. Die Auswirkungen des Krieges waren noch überall sichtbar und spürbar. Wackernell erinnerte sich etwa an das eigenartige Fleisch, das in der Heimmensa ausgegeben worden sei: die, wie es im despektierlichen Studentenjargon hieß, „tette delle vacche“. Aus Spargründen kaufte die Mensa vornehmlich Euterfleisch, das sich beim Drücken mit der Gabel als noch deutlich milchhaltig erwies. Getreu seinem Credo trat Wackernell keiner Studentenorganisation bei, auch nicht dem bereits bestehenden „Bund der Südtiroler Hochschüler.“ Ansonsten hielt er durchaus Kontakt mit anderen Studenten aus Südtirol. So erinnerte er sich an den gleichaltrigen Roland Riz sowie an etliche Pusterer. Besonders ausgelassen war die Studentenzeit damals freilich nicht. Speziell das Studium am Politecnico war Knochenarbeit, die Paukerei Normalzustand. Viele Studienanfänger, so Wackernell, seien gescheitert, andere hätten sieben, acht Jahre zum Abschluss benötigt. Er absolvierte das Studium in der Mindestdauer, nicht zuletzt aus finanziellen Erwägungen. Die Benachteiligung deutschsprachiger Studenten war zwar keineswegs die Norm, kam aber durchaus vor. Als Wackernell zu einer Prüfung antrat, kam es zu folgender Situation: „Ich meldete mich zur Prüfung im Fach Brückenbau an, diese galt als eine der härtesten des gesamten Studiums. Der prüfende Professor war ein Ingenieur mit internationalem Renommee. Ich trat also in den Raum, er würdigte mich keines Blickes, las nur laut meinen Namen und meinte: ‚Ma lei è tedesco?‘ Ich sofort: ‚No, no, vengo dall‘Alto Adige, lì i nomi tedeschi sono frequenti.‘ Meine Äußerung verfehlte freilich den gewünschten Effekt. ‚Ma lei, come tedesco, ha il coraggio di venire da me a fare l’interrogazione?‘ Darauf ich: ‚Professore, non capisco!‘ Er: ‚Ma lei non sa, che i tedeschi hanno buttato giù tutti i miei ponti sul Po [am Ende des Zweiten Weltkrieges – Anm. d. Verf.] E la nostra amministrazione non mi ha fatto ricostruire uno, hanno dato tutti gli ordini a bravi socialisti.‘ Ich dachte nur daran, mich schnell aus der Affäre zu ziehen und sagte: ‚Non c‘entro, professore, mi ritiro.‘ Das ging dem Professor dann doch zu weit: ‚No, no, stia!‘ Die folgende Prüfung hatte es allerdings in sich. Unter anderem stellte er mir eine Fangfrage, wie man die statische Belastbarkeit eines Geländers auf einer Steinbrücke berechnet. Aber ich war gut vorbereitet und hatte die korrekte Antwort parat. Schließlich entließ er mich mit 28 Punkten [höchste Bewertung: 30 Punkte – Anm. d. Verf.].“ Mit seinem Einsatz und einwandfreien Leistungen empfahl sich Wackernell für höhere Weihen: Man signalisierte ihm, dass man ihn nach Beendigung des Studiums an der Uni behalten wolle. Obwohl eine Assistenzstelle damals deutlich bessere Perspektiven bot als heute, lehnte er ab. Ungeachtet aller Offenheit gegenüber der italienischen Lebensweise und Kultur kam Mailand für ihn als künftiger Lebensmittelpunkt nicht in Frage. Ihn zog es wieder zurück nach Südtirol. Bevor Wackernell sich dauerhaft in Südtirol niederlassen konnte, war die Frage des Militärdienstes zu klären. Weil ihm der Einsatz in Verona und Rovereto während des Krieges nicht anerkannt wurde, war der gesamte Dienst zu absolvieren. Nicht zuletzt wegen seines Pessimismus hinsichtlich eines Weltfriedens und weil es für Akademiker keine Zugangsbeschränkungen gab, entschied er sich für die Offiziersschule in Lecce. Die eigentliche Ausbildung erfolgte in Cesano di Roma, die restlichen Monate verbrachte Wackernell in Apulien. Er fühlte sich im Süden wohl, zeigte aber wenig soldatische Gesinnung. Gerne pfiff er auf die täglichen Rituale und verbrachte bei jeder Gelegenheit seine Zeit damit, Englisch zu lernen. Nach Abschluss der Ausbildungsphase leistete der frisch gebackene Unteroffizier den letzten Abschnitt des Militärdienstes ausgerechnet in der „Wackernell-Kaserne“ in Mals. Diese war nach seinem 1928 in Libyen gefallenen Onkel Siegfried benannt. Das ihm zugeteilte Dutzend Wehrdiener, allesamt aus dem Pustertal, machte aber nicht wie vorgesehen Jagd auf Schmuggler und illegale Grenzgänger, sondern auf Wild. Wenn sich daraufhin wieder einmal der Protest der Jäger aus dem Revier erhob, bedurfte es der ganzen diplomatischen Kunst Wackernells, um die aufgebrachten Vinschger zu beruhigen.

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