Читать книгу Selbst- und Welterleben in der Schizophrenie. Die phänomenologischen Interviews EASE und EAWE онлайн
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2. Das erweiterte, personale oder reflexive Selbst ist durch eine Reihe von eng miteinander verknüpften Fähigkeiten charakterisiert: (a) durch ein höherstufiges Bewusstsein der eigenen Zustände und Erlebnisse (introspektives oder reflexives Selbstbewusstsein), (b) durch die Fähigkeit, andere als intentionale Wesen zu verstehen und ihre Perspektive nachzuvollziehen (Perspektivenübernahme) (Tomasello 2002; Fuchs 2013); (c) durch die Fähigkeit, die eigenen Erfahrungen zu kohärenten Geschichten zu verknüpfen (narrative Identität) (Carr 1986; Schechtman 1996); (d) durch ein begriffliches und biografisches Wissen von sich selbst (Selbstkonzept).
Eine Großzahl neuerer theoretischer und empirischer Forschungsarbeiten beschreibt eine Störung des basalen Selbsterlebens als charakteristisch für die schizophrene Erkrankung (Ardizzi et al. 2015; Benson et al. 2019; Fuchs 2005; Møller und Husby 2000; Parnas und Handest 2003; Parnas und Sass 2011; Thakkar et al. 2011). Vielfach werden die Veränderungen des Selbsterlebens der Betroffenen auch unter dem Begriff der Entkörperung (disembodiment) zusammengefasst und als psychopathologischer Kern oder Grundstörung der Erkrankung verstanden (Laing 1960; Fuchs 2001, 2005; Stanghellini 2004; Fuchs und Röhricht 2017). Störungen der Reflexivität oder der Perspektivenübernahme (»Theory of Mind«)sind nach dieser Konzeption eher als sekundäre Folgen der basalen Selbststörung zu verstehen. Dieser Grundstörung wollen wir im Folgenden anhand der historischen Entwicklung des Schizophreniekonzepts sowie aktueller psychopathologischer Erklärungsansätze nachgehen.