Читать книгу CHANGES. Berliner Festspiele 2012–2021. Formate, Digitalkultur, Identitätspolitik, Immersion, Nachhaltigkeit онлайн

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TO:Wenn ich mich an dieses Buch von Michel Serres erinnere, ist der Parasit eine Metapher für eine Person, die nur eine Beziehung zu Beziehungen hat. Andere Personen haben eine Beziehung zu Dingen oder Objekten, aber auch zu Ideen oder Ideologien. Im Sinne von Serres verlieren immer die Menschen, die an Dinge glauben und eine Loyalität zur Sache an sich haben, wenn sie in einen Konflikt mit Menschen geraten, die sich völlig anders verhalten. Ein Parasit ist nur der Beziehung selbst treu. Ich denke, das ist auch eine Entwicklung in deiner Arbeit: Du arbeitest mit Objekten wie mit Schauspieler*innen und inszenierst sie in einem Beziehungsfeld. Und dieses Feld ist wichtiger als die Objekte selbst. Damit gibst du der Ausstellung eine eigene Existenz. Es geht um mehr als die bloße Anordnung von Objekten.

EC:Das Quasi-Objekt ist durch seine Gleichzeitigkeit, Subjekt und Objekt zu sein, eine außergewöhnliche Veranschaulichung der extrem unterschiedlichen Stadien; es ist eine Art Produkt, aber zugleich eine Persönlichkeit. Aber diese Persönlichkeit sucht nach einer Aktivierung durch andere Menschen. Du lässt zum Beispiel in deiner Arbeit mit einem Manga-Charakter wie Ann Lee, den du von einer japanischen Firma gekauft hast, unterschiedliche Künstler*innen dieselbe Person reaktivieren. Das ist wirklich eine perfekte Veranschaulichung der poetischen Aussage, dass das Kunstwerk ein Werk in Beziehung ist, weil es beispielsweise ohne diese Beziehung zu anderen Künstler*innen nicht existiert. Du sagtest auch, dass es für dich wichtig war, das Leben eines Bildes oder das Streben eines Bildes zu überprüfen. Das ist einer der auffälligsten Aspekte deiner Kunst: Du zeigst immer wieder, wie schwierig es ist, eine Grenze zwischen Leben, Zeichen, Lebewesen und Objekten zu ziehen. In gewisser Weise ist das Werk auch eine lebende Person, nur nicht in menschlicher Form: diese Idee, dass das Leben etwas Schwebendes ist, das verschiedene Stadien und Körper durchläuft. Wir reinkarnieren von Zeichen zu Zeichen, von Körper zu Körper. Und die Kunst muss diese Fähigkeit des Lebens zeigen. Und im Fall der aktuellen Ausstellung ist es die Tatsache, dass alles vorbestimmt wird, der Rhythmus, der Atem, die Lichter, alles wird von der Hefe in diesem zentralen Bioreaktor entschieden. Die Hefe ist in diesem Raum das Gehirn von allem – das aber auch von den Menschen, die vorbeikommen, beeinflusst wird.


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